Auf Sicht steuern

"Die Großwetterlage ist unbeständig"

München, November 2011 - Guy Fischer ist Mitinhaber und Geschäftsführer der bekannten Multimediaagentur Fischer, Knoblauch & Co., die sich sowohl im Bereich eLearning als auch im Verlagsbereich ePublishing-Lösungen einen Namen gemacht hat. Seine Einschätzungen zur Lage der eLearning Dienstleister fällt für das zu Ende gehende Jahr positiv aus und trotz schwankender Parameter blickt Guy Fischer auch auf 2012 behutsam optimistisch.



Wie stellt sich der deutschsprachige eLearning-Markt aus Ihrer Sicht heute dar?

Guy Fischer: Wenn man über die Situation der eLearning Dienstleister nachdenkt, dann spielen zwei Faktoren eine wesentlich Rolle: Zum einen, wie sich der Einsatz von eLearning entwickelt und zum anderen wie die wirtschaftliche Großwetterlage ist. Was den Einsatz angeht, ist das Bild durchgängig positiv: eLearning als solches wird als Methode in immer größerem Umfang genutzt, in den großen Companies nimmt der Einsatz zu und bei den mittleren Unternehmen wird eLearning eingeführt. Treiber sind hier die kürzeren Innovationszyklen, die zunehmende Internationalisierung und die steigenden Anforderungen an Trainingsqualität und Trainingstransparenz.


Mit Sicherheit schlägt die Erweiterung der eLearning Methoden nicht eins zu eins auf den Umsatz der Dienstleister durch - vieles wird auch bei den Firmen mit Schulungsbedarf selbst realisiert, in der Summe ist die Entwicklung aber gut. Auch die zunehmende Professionalisierung tut der Branche gut - mehr und mehr neigen die Kunden dazu, dezidierte eLearning Dienstleister zu beauftragen und nicht ihr Glück bei Einzelkämpfern, Netzwerken oder Werbeagenturen, die "auch eLearning" machen, zu suchen.


Was die politisch-wirtschaftliche Großwetterlage angeht, muss man, denke ich, top-down denken. Die großen Entwicklungen beeinflussen sehr schnell die Blue Chips Unternehmen, an denen die eLearning Dienstleister doch zu einem großen Teil hängen. Je nach Branche dauert es verschieden lang ehe sich die Großwetterlage auswirkt - aber wir reden dabei letztlich doch von wenigen Wochen bis einigen Monaten.


Die Großwetterlage ist, betrachtet man das Polaroid des heutigen Tages, sehr unbeständig. Die Prognosen, die Berichte, die Aktienkurse - die üblichen Indikatoren, die man zu Rate zieht um die wirtschaftliche Zukunft zu betrachten - sind schwankend und von großer Unbeständigkeit. Die Schlagzeilen wechseln täglich zwischen Wachstum und Krise. Die größeren Unternehmen - also unsere Kunden - reagieren darauf indem sie wesentlich "auf Sicht" steuern. Das Problem der "schwarzen Schwäne" ist erkannt.


Ergibt sich aus "gut und schwankend" etwa "schwankend gut"?


Guy Fischer:
Ich gehe davon aus, dass die größeren eLearning Companies 2012 ein gutes Jahr haben werden. Gerade im Bereich der Content-Erstellung werden die wenigen professionellen Anbieter die noch da sind - M.I.T., BB&K und FKC - viel zu tun haben. Wir sind ja nur noch sehr wenige, die als Dienstleister in diesem Markt individuellen Content erstellen.


Der extrem spannende LMS Sektor spaltet sich, nachdem was wir sehen, immer stärker auf, die großen Installationen werden von internationalen Anbietern wie SABA, SAP oder SumTotal bedient und im Projektbereich oder KMU Bereich gibt es sehr viele Systeme, die ihre Nischen finden. Im Feld der Anbieter von Standardinhalten bin ich sicher, dass Know-How, bit media und Digital Spirit gute Geschäfte machen werden, weil der Trend auch dort sehr stark von Präsenz zu eLearning geht.


Zusammenfassend glaube ich, dass sich unser aller "laufendes Geschäft" auf jeden Fall gut entwickeln wird und lediglich im Bereich der Neukundengewinnung bzw. der Akquise von sehr großen Projekten uns die Großwetterlage ordentlich nass machen kann. Was hier natürlich hilft ist eine gewisse Diversifikation was Branchen bzw. Kunden angeht.


Die Steuerung einer Firma angesichts dieser Umgebung bleibt anspruchsvoll. Die heute geforderte Qualität und Kontinuität ist nur mit festangestellten, erfahrenen Mitarbeitern zu gewährleisten, andererseits ergibt das die großen Fixkostenapparate, die in auftragsarmen Zeiten die Agenturen töten. Hier muss man etwas Risiko fahren und sein Team weiter aufbauen und das Beste hoffen.


Aber da auch 2011 wieder ein gutes Jahr war, dürften die professionellen eLearning Anbieter die Schulden aus den Bilanzen haben und über entsprechende Rücklagen verfügen - wer seit 2009 nichts verdient hat, ist ohnehin unfähig - um es klar zu formulieren.


Soweit zum Markt. Welche neuen Themen sehen Sie auf sich zukommen?


Guy Fischer:
Natürlich - wie alle - das Thema Mobile Learning und das Thema Game-based, wobei ich einschränkend feststellen muss, dass diese Themen auf Tagungen und in der Presse mehr Gewicht haben als im realen Geschäftsalltag. Inhaltlich fällt uns auf, dass die Kunden Grafik auf werblichem Niveau mittlerweile in der Fläche zu schätzen wissen bzw. erwarten. Wirklich schmerzfrei habe ich dieses Jahr grafisch nur einen großen und bekannten Werkzeughersteller erlebt, der uns Lernprogramme zeigte, die noch den 90iger Jahre Toolbook-Look hatten - also Textwüsten mit einem gelegentlichen Bildchen.


Normalerweise werden zur Visualisierung Flashfilme eingesetzt und folglich das statische Bildmaterial abgelöst durch Animationen. Die meisten Entwicklungsumgebungen - einige Fossile ausgeklammert - die heute eingesetzt werden unterstützen Flash CS 5 und bieten damit großartige Möglichkeiten.


Welche inhaltlichen Schwerpunkte können Sie erkennen?


Guy Fischer:
Quer über alle Themen sehe ich zum einen in der Produktion, dass den Kunden Authentizität immer wichtiger wird und wenn ich mir ansehe, welche Inhalte nachgefragt werden, dann denke ich, dass viel Wachstum aus dem Soft-Skill-Bereich kommen wird. Mehr und mehr manifestiert sich hier, dass auch in diesem Bereich die kognitive Basis durchaus mit eLearning Methoden geschaffen werden kann - und manchmal muss.