Epochale Herausforderung

BITKOM: Branche setzt auf Industrie 4.0

Berlin, März 2013 - Die deutsche Wirtschaft setzt große Hoffnungen in das Thema "Industrie 4.0". Unter dem Begriff versteht man die Steuerung von Entwicklung und Produktion über das Internet. 81 Prozent der IT-Unternehmen sehen hier in den kommenden Jahren ein wichtiges Geschäftsfeld. Dabei misst fast jedes dritte IT-Unternehmen Industrie 4.0 heute bereits große Bedeutung zu. Jedes zehnte bietet aktuell spezielle Lösungen für die Industrie 4.0 an, weitere 13 Prozent entwickeln derzeit entsprechende Angebote. Das ergab eine repräsentative Befragung im Auftrag des Hightech-Verbandes BITKOM.




In der vierten industriellen Revolution, der Industrie 4.0, wächst die Fertigungsindustrie mit dem Internet zusammen. Davon profitieren IT-Anbieter ebenso wie die Fertigungsindustrie. "Der Standort Deutschland hat seine Stärken an den Technologieschnittstellen", sagte Martina Koederitz vom BITKOM-Präsidium auf der Hightech-Messe CeBIT. "Wenn Maschinenbau, Elektrotechnik und Automobilbau mit der IT-Industrie zusammenkommen, entstehen riesige Chancen."


Die Hightech-Unternehmen erwarten, dass sich Industrie 4.0 besonders stark auf die künftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie auswirkt: 90 Prozent meinen, Industrie 4.0 sei für das produzierende Gewerbe wichtig, um weiter im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.


Die Ausgangsposition ist dabei sehr gut: Nach Meinung jedes zweiten Befragten ist die deutsche Industrie für die vierte industrielle Revolution im internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt. Koederitz: "Von der erfolgreichen Bewältigung der vierten industriellen Revolution hängt die Zukunft der deutschen Industrie ab - nicht mehr und nicht weniger. Diese epochale Herausforderung müssen wir nun branchenübergreifend angehen."

Bei dem Wandel hin zur Industrie 4.0 kann die IT wesentliche Beiträge leisten. "Wir liefern die Infrastruktur, das Prozess-Know-How sowie softwareintensive, eingebettete Systeme mit integriertem Expertenwissen. Und wir machen dieses hochkomplexe System sicher", sagte Koederitz. In vielen Branchen, etwa bei Banken und Versicherungen, sind die vormals analogen Prozesse bereits komplett digitalisiert. "Die Digitalisierungswelle erreicht nun die Fertigungsindustrie. Die IT-Anbieter können hier mit ihrem in anderen Branchen gesammelten Prozess- und Organisationswissen helfen."

Eine wichtige Voraussetzung für Industrie 4.0 ist ein flächendeckendes und sicheres Superbreitbandnetz mit hoher Verbindungsstabilität und geringen Latenzzeiten. "Wenn wir globale Wertschöpfungsnetze etablieren, müssen auch Produzenten auf der Schwäbischen Alb oder in Vorpommern mit einem Industrie-Internet erreicht werden können", sagte Koederitz. Industrie 4.0 werde zudem die Arbeitswelt, die Arbeitskultur und das Bildungswesen verändern.


Es brauche gesetzliche Regelungen für einen adäquaten Umgang mit der steigenden Datenmenge in Unternehmen. Zudem müsse sich die Industrie bei der Rekrutierung und Ausbildung zukünftiger Fachkräfte umstellen, etwa durch eigene Industrie-4.0-Kompetenzprofile. Koederitz: "Der Wirtschaftsinformatiker sollte zusätzlich Module aus den Bereichen Maschinenbau oder Elektrotechnik belegen." An Hochschulen sollten zudem interdisziplinäre Lehrstühle eingerichtet werden.

Die erste industrielle Revolution wurde durch mechanische Produktionsanlagen Ende des 18. Jahrhunderts ausgelöst. Die zweite begann mit der arbeitsteiligen Massenproduktion mit Hilfe von elektrischer Energie Ende des 19. Jahrhunderts. Computergestützte Automatisierung sorgte ab den 1960er Jahren für die dritte große Zäsur. Nun steht ein erneuter Umbruch an: Informationstechnik vernetzt Produktion und Industrie weltweit und über Unternehmensgrenzen hinweg in völlig neuer Form.


"Die klassische Wertschöpfungskette vom Rohstoffeinkauf über die Produktion bis zum Vertrieb und Kundendienst wird zu einem Wertschöpfungsnetz weiterentwickelt", so Koederitz. "In einem Internet der Dinge und der Dienste werden sich Fertigungsunternehmen ganz neu positionieren müssen."