Zukunft des Lernens

Adaptive Lernsysteme - Chancen und Grenzen

München, Dezember 2006 - Um die Möglichkeiten und Grenzen der Individualisierung durch adaptive Lernsysteme dreht sich ein Beitrag der LEARNTEC -Kongress-Sektion "Versicherungen im Wandel - Lernen im Umbruch" am 13. Februar 2007 in Karlsruhe. Nachdem in den letzten Jahren die technischen Möglichkeiten adaptiver Lernsysteme im Mittelpunkt der Diskussion standen, stellt sich nun zunehmend die Frage, was in der Praxis sinnvoll und unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten realisierbar ist.




Von "adaptiven Systemen" sprechen Content-Hersteller, wenn sie Inhalte für ein System aufbereiten, das sich von selbst an bestimmte Eigenschaften des Lerners und sein Lernszenario anpasst. Solche Systeme berücksichtigen vielfältige Parameter wie etwa das Kompetenzprofil, die Lernsituation und die Lernziele, so dass das Lernangebot tatsächlich den Anforderungen des Lerners entspricht.


"Erst adaptive Lernsysteme nutzen die Möglichkeiten des computerunterstützten Lernens wirklich aus, da sich das Lernprogramm im Gegensatz zum Dozenten vollständig dem einzelnen Lerner widmen kann", bringt Prof. Dr. Rudolf Kammerl die Vorzüge auf den Punkt. Gerade in heterogenen Lerngruppen, erweist sich so die Differenzierung des Lernangebots als enormer Vorteil, da hier den Unterschieden bei den Lernervoraussetzungen, aber auch bezüglich spezieller Lernziele, besser Rechnung getragen werden kann.


Im Vordergrund steht dabei stets der Nutzen für den Lerner, die Qualität der Adaptation ist entscheidend, nicht die Quantität. Verschiedene Forschungs-Prototypen derartiger Lernsysteme hatten in den letzten Jahren gezeigt, dass es auch ein "zuviel" der Anpassung geben kann, das den Lerner eher verwirrt, als ihm hilft. Der Lerner benötigt im Lernprozess stets ein gewisses Bezugssystem zur Orientierung.

Die Herausforderung bei der professionellen Entwicklung adaptiver Lernsysteme besteht wie so häufig in der Gratwanderung zwischen Kosten und Nutzen: "Einerseits soll das System den Lerner dort abholen, wo er gerade steht und ihm ermöglichen, seine Lernziele auf möglichst kurzem und geradem Weg zu erreichen. Andererseits muss man den dafür zu betreibenden Aufwand - nicht nur unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten - im Auge behalten, und auch den dafür erforderlichen Zeitaufwand und die Kosten ins Kalkül ziehen", beschreibt Claus Dziarstek, Projektmanager bei VIWIS, das Spannungsfeld.


Für die Entwicklung adaptiver Lernangebote ist daher eine vorausschauende Planung der Lerneinheiten unabdingbar. Die Grundlage bietet eine Art "Wissenslandkarte", in der später die einzelnen Lernbausteine verankert werden können. "Das erfordert ein Denken in Kompetenzkatalogen und modularen Lernbausteinen und stellt natürlich hohe Anforderungen an die Autoren." Hilfe bieten dabei geeignete Werkzeuge, die die Navigation durch die "mehrdimensionalen" Inhalte erleichtern oder etwa in der Lage sind, automatisierte Konsistenzprüfungen und Referenzkontrollen durchzuführen.

"Der Ausgangspunkt der Individualisierung ist natürlich das Profil des Lerners, insbesondere das Kompetenzprofil des Lerners muss in der Regel vorliegen. Um nicht durch umfangreiche (Eingangs-)Test mit Vollständigkeitsanspruch eine Nutzungsbarriere aufzubauen, bietet sich die Kombination mit einer Selbsteinschätzung des Lerners oder Stereotypenansätzen an, die von vordefinieren Profilen ausgehen," erläutert Dziarstek die Praxis.

Ob man den Aufwand für die Erstellung solcher Lernangebote als hoch oder niedrig einstuft, ist letztendlich eine Frage der Perspektive, meint Dziarstek: "Verglichen mit der Produktion herkömmlicher Inhalte ist der Aufwand sicher merklich höher. Zieht man als Vergleich hingegen die Produktion separater Lernprogramme für jede Zielgruppe heran, sind die adaptiven Lernangebote sogar die günstigere Variante."

Dass die Diskussion um individuelle Lernangebote direkt den Praxisbedarf trifft, zeigt die Basisausbildung in der Versicherungsbranche: Die verschiedenen Ausbildungsgänge zum Versicherungsfachmann/-fachfrau, zum Kaufmann/Kauffrau für Versicherungen und Finanzen und zum Servicefachmann/-fachfrau vermitteln letztlich in großen Teilen die gleichen Inhalte, jedoch teilweise in unterschiedlicher "Tiefe" und mit Variationen im Detail. Diese drei Zielgruppen lassen sich in einem adaptiven Lernsystem einfach als drei Lerner-Stereotypen abbilden, die weitere Ausdifferenzierung der individuellen Lernerprofile erfolgt dann während der Nutzung der Inhalte.


Mehr über pädagogische Hintergründe, Praxishürden und konkrete Beispiele bietet die Sektion "Versicherungen im Wandel - Lernen im Umbruch" unter der Leitung von Christian Fendl und Dr. Werner Kohn am 13. Februar von 14.00 bis 17.00 Uhr auf der LEARNTEC in Karlsruhe.