LEARNTEC 2008

Das alljährliche Familientreffen

Hamburg, Februar 2008 - Ähnlich wie im Film "Und täglich grüßt das Murmeltier" wird auch der 16. LEARNTEC das immer gleiche Ritual folgen. Nach dem alljährlichen Abgesang kehren im nächsten Jahr die gleichen Aussteller doch wieder zurück ins beschauliche Karlsruhe. Eigentlich könnten sich die Veranstalter ob dieser Tatsache mit einem leisen "The same procedure as every year" entspannt zurücklehnen und die Einwände elegant vom Tisch wischen - wenn da nicht das Damoklesschwert CeBIT über ihren Köpfen kreiste.




Schon der Eintritt in die fulminante Eingangshalle der Messe Karlsruhe verleitet einen insgeheim dazu, einen gellenden Schrei loszulassen, um in der gähnenden Leere das Echo auszuprobieren. Die Leere setzt sich in den Gängen der Messehalle fort, von einigen Ausstellern lakonisch kommentiert mit: "Zu wenig Traffic hier."

An die von der LEARNTEC publizierte Zahl von 6.000 Fachbesuchern mag niemand so recht glauben. Doch man sollte nicht ungerecht sein: Masse ist nicht gleich Klasse. Erfreut äußerten sich so gut wie alle befragten Aussteller über die hohe Qualität der Fachbesucher.

Nutzen unklar


Angesichts der realen Alternative CeBIT Forum Learning & Knowledge Solutions wird die Kritik an der LEARNTEC hörbar lauter. Langjähriger Stammaussteller wie beispielsweise die IMC AG oder bit media kündigen an, dass sie auf die CeBIT gehen und anschließend genau nachrechnen werden, ob sich der Einsatz auf der LEARNTEC noch lohnt. Die Standpreise sind die gleichen - zumindest im ersten CeBIT-Jahr.

Dass von dort Ungemach droht, haben auch die Veranstalter der LEARNTEC erkannt und den Ausstellern zum ersten Mal nach 16 Jahren einen Frühbucherrabatt angeboten. Die eMail mit dem Angebot, das man kaum ablehnen kann - immerhin spart man fünf Euro pro Quadratmeter - ging noch während der Messe raus.

Die IMC AG beklagt schon seit Jahren, dass sie auf der LEARNTEC hauptsächlich Bestandskundenpflege betreibe und die Anbahnung neuer Kontakte so gut wie nicht mehr ins Gewicht falle. "Im Gegenteil, wir füttern die LEARNTEC mit unseren Kunden. Deswegen werden wir unsere Kosten künftig ins Verhältnis zu den Leads setzen und Standgrößen entsprechend anpassen", warnt Vorstandssprecher Wolfgang Kraemer.

Diese Rechnung haben Hersteller wie das international aufgestellte US-Unternehmen Blackboard offensichtlich schon aufgemacht. In den letzten Jahren erlitt der Stand die "Schwindsucht" und ist jetzt auf die Größe einer Imbissbude zusammengeschrumpft. Besser kann man die Präsenzrelevanz eigentlich kaum dokumentieren.

Für Hans Gieringer, Geschäftsführer von bit media, liegt klar auf der Hand, dass die Organisatoren sich nicht genug Mühe geben, die Wertschöpfungskette des eLearning nachzuvollziehen. "Hier fehlen Zertifizierungsunternehmen wie die DEKRA, Berufsgenossenschaften oder die GMP (good manufactoring practices)", urteilt Gieringer und schlägt vor, solchen Organisationen die Stände verbilligt oder kostenlos zur Verfügung zu stellen. Bildungsverantwortliche würden sich vor allem bei diesen Organisationen nach Lösungen erkundigen, um Schulungen für den wachsenden Vorschriftenberg zu finden.

Die Messeleitung werde ihrer Aufgabe nicht gerecht, neue Zielgruppen zu erschließen, urteilten langjährige Aussteller und verglichen die LEARNTEC gar mit einem Familientreffen: Wenn keiner mehr käme, falle es eben aus.

Eitel Sonmnenschein


Aber wo Schatten ist, ist auch immer Licht. Vor allem die Newcomer waren guter Dinge. Lisa Hammerl, Leitung Schule und Bildung bei Fronter, freute sich über den Erfolg der ersten LEARNTEC-Präsenz. Zahlreiche Hochschulen und Unternehmen informierten sich am Fronter-Stand über die offene Lern- und Kollaborationsplattform aus Skandinavien. "Mit so einem Andrang hatten wir gar nicht gerechnet", lacht sie.

Aber auch manch langjähriger Mitstreiter konnte klare Erfolge verbuchen. Adobe ist seit vier Jahren auf der LEARNTEC und sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Tim Pfälzer, Education Marketing Manager Central Europe, sagt: "Für uns lief die LEARNTEC hervorragend. In den drei Tagen hatten wir rund 250 Besucher am Stand und davon haben sich rund 80 Prozent ernsthaft für unsere eLearning-Lösungen interessiert."

Leere Foren


Der Mangel an Besuchern zeigt sich dramatisch in den Foren. Die hochkarätigen Referenten der HealthCare Arena beispielsweise präsentierten brillante Vorträge vor leeren Bänken. Man muss kein Prophet sein, um einzuschätzen, dass dieses Engagement sicher einigen Ärger nach sich ziehen wird. Benachbarte Aussteller entwickelten sichtlich Mitgefühl und waren sich einig, da würden Perlen vor die Säue geworfen.

Ähnlich ging es den Referenten in der Zukunftswerkstatt. Auch hier referierten die Vortragenden vor einer Hand voll Zuhörern. "Die Idee an sich ist super, aber schon die Organisation im Vorfeld war wirklich miserabel", kritisiert Bettina Dauphin von Dynamic Media. "Mit Kunden, die für die Vorträge zahlen, sollte man etwas sensibler umgehen." Sie rät den Organisatoren der LEARNTEC, den sonst außerordentlich netten und aufmerksamen Service auch auf diesen Bereich auszudehnen. "Um das Forum mit Leben zu füllen, sollten da mal ein paar jüngere, innovative Köpfe ran. Die haben die Zukunft schließlich noch vor sich", glaubt die Marketingexpertin.

Hier und da wurde auch ein seltenes Exemplar der Gattung "Erstbesucher der LEARNTEC" gesichtet. CHECK.point eLearning traf auf zwei Exemplare der scheuen Spezies und von einigen anderen wurde berichtet. "Die LEARNTEC muss mehr Geld in das Marketing investieren und neue Zielgruppen erschließen", zieht Norbert Bromberger, Geschäftsführer der Qualitus GmbH, sein Resummee aus der rückläufigen Besucherzahl.

Dazu bedarf es neuer Themen. "Der Kongress ist viel zu abgehoben", kritisiert Hans Gieringer. Er interessiert sich für die nächsten fünf Jahre des eLearning und wünscht sich viel mehr Best-Practice-Beispiele. "Mir ist es egal, wie wir im Jahr 3000 lernen."

Die Auftragslage ist gut


Wolfgang Krämer ärgert sich, dass die wenigen Neubesucher durch die gähnende Leere auf der Messe den Eindruck erhalten könnten, um das gesamte eLearning sei es schlecht bestellt. "Das ist ganz und gar nicht so, der Branche geht es besser denn je", betont er mit Nachdruck.

Festzustellen ist eine Konsolidierung der Branche. Die 220 Fachaussteller präsentieren sich größtenteils schon seit Jahren auf der LEARNTEC. Viele sind auf dem Sprung zur Internationalisierung und manch einer stellte parallel auf der Learning Technologies in London aus. Und obwohl auf der LEARNTEC wieder einmal viele hässliche, einfallslose Stände in System-Bauweise zu sehen waren, kann man den Ausstellern glauben, dass sie sich einer guten Auftragslage erfreuen.