ELearning-Qualifizierungsmaßnahmen für Kurzarbeiter?
Saarbrücken, Mai 2009 - (von Peter Sprenger) Eigentlich sollte die Förderung von Qualifizierungsmaßnahmen durch die Bundesagentur für Arbeit so etwas wie Goldgräberstimmung in der eLearning-Branche wecken: deutschlandweit haben rund 20.000 Unternehmen Kurzarbeit für annähernd eine halbe Million Arbeitnehmer angemeldet. Trotzdem blieb die Suche nach erfolgreichen Projekten, bei denen eLearning für die Weiterbildung von Kurzarbeitern federführend eingesetzt wird, ergebnislos.
Stephan Langer von der IHK-Online Akademie, die für viele Mittelstandsunternehmen eine zentrale Anlaufstelle für eLearning-Kurse ist, bestätigte zwar, dass es vereinzelt Anfragen aus dem IHK-Umfeld gegeben hätte, doch von einem konkreten Projekt war ihm bisher nichts bekannt. Clemens Rude, Vertriebsleiter bei Com Computertraining und Services, einer bitmedia-Tochter, ist skeptisch, ob man "einen reinen eLearning-Kurs durch den Genehmigungsprozess der Arbeitsagentur bekommen würde". Bei ComTraining haben einige Kurse allerdings eLearning-Anteile von bis zu maximal 40 Prozent.
IG Metall, Bundesagentur für Arbeit und die Regionaldirektion der Arbeitsagentur für das Saarland und Rheinland-Pfalz (das Saarland führt mit über neun Prozent gemeldeten Kurzarbeitern immerhin die Statistik an) konnten keine Beispiele nennen. Die Pressestelle der Bundesagentur für Arbeit erklärte zwar, dass es keine prinzipiellen Gründe gäbe, die eine Förderung von eLearning-Maßnahmen verhindern würde, aber auch: "Dies muss im Einzelfall geprüft werden. Für viele Zielgruppen ist das Lernen zu Hause ohne Präsenzkurs nicht geeignet, da tutorielle Begleitung erforderlich ist."
Tendenziell herrscht die Meinung vor, dass eLearning-Inhalte nicht die Kriterien erfüllen könnten, die an Qualitätskriterien für die berufliche Qualifizierung gestellt werden.
Im Februar bewegte sich die Anzahl der Anträge auf Kostenübernahme für Kurzarbeiter-Weiterbildungen noch im Promillebereich. Darauf angesprochen verwies Albert Fuchs, Pressesprecher Regionaldirektion Saarland/Rheinland-Pfalz der Arbeitsagentur, auf ein anderes Problem: viele Qualifizierungsmaßnahmen, die die Förderbedingungen erfüllen, hätten eine Laufzeit von drei bis sechs Monaten. Angesichts der unsicheren Lage, so Albert Fuchs, scheuen sich die Unternehmen, Mitarbeiter für einen so langen Zeitraum an Weiterbildungsprogramme zu binden. Mittlerweile sei die Zahl der Anträge aber deutlich gestiegen.
Hier müsste jeder eLearning-Anbieter hellhörig werden: dieses Problem ist eigentlich ein Argument, das für den Einsatz von eLearning- oder Blended-Learning-Programme spricht. Im "Kursnet" der Arbeitsagentur finden sich durchaus einige eLearning-Programme, die für Fördermaßnahmen in Frage kämen. Angesichts der Reaktionen lässt sich aber dennoch feststellen, dass die eLearning-Branche zwei Probleme hat:
1.) Ein Kommunikationsproblem: Auf der Kommunikationslandkarte der Branche befinden sich noch immer große weiße Flecken mit unerschlossenen Märkten. Viele Bildungsanbieter, Interessenverbände und Behörden haben nur eine sehr ungefähre Kenntnis der Möglichkeiten, die ausgereifte eLearning-Kurse und -Systeme heute bieten ("eLearning - können Sie das auf deutsch sagen?") und urteilen über eLearning kaum anders als vor zehn Jahren: "Da könnte man den Angestellten ja auch einfach ein Buch in die Hand drücken", war eine Reaktion im Rahmen der Recherche.
Man kann sich hier die provokante Antwort verkneifen, dass das Buch über 500 Jahre durchaus gute Dienste in der Weiterbildung geleistet hat und dass einen manchmal umgekehrt das Gefühl beschleicht, Bildungsanbieter müssten nur die Stühle in Seminarräumen besetzen. Die Antworten zeigen aber deutlich, dass die seit Jahren existierenden Standards in der tutoriellen Begleitung, der Steuerung und dem Controlling der Lernenden bei wichtigen Zielgruppen noch nicht angekommen sind.
2.) Ein Serviceproblem: Anders als die Bildungsanbieter können eLearning-Anbieter geeignete Kursangebote offenbar nicht "aus dem Hut" zaubern. Dies hat seine Gründe vermutlich in der Skepsis und Uninformiertheit der möglichen Auftraggeber und ganz sicher darin, dass sich - von einigen Nischen abgesehen - bisher kaum ein Markt für standardisierte eLearning-Inhalte entwickelt hat. Strukturell liegt es aber auch daran, dass eLearning-Anbieter Technologieunternehmen sind, keine Bildungsdienstleister.
Die gegenüber Präsenzangeboten ohnehin komplexere Konzeptions- und Entwicklungsphase für die Produktion von Online-Lerninhalten erschwert es zusätzlich, dass sich Fachexpertise, Technologieexpertise und Kundenwünsche treffen und den Markt für Standard-eLearning-Inhalte ausweiten. Die führenden eLearning-Anbieter haben sich als Dienstleister von Bildungsträgern bisher kaum positionieren können.
Fazit: Obwohl die berufliche Qualifizierung seit Monaten ein zentrales Thema der politischen Debatte ist, mussten einige Unternehmen der eLearning-Branche selbst Anträge auf Kurzarbeit stellen. Von "Goldgräberstimmung" ist das weit entfernt.
Der Autor, Peter Sprenger, ist als Freier Unternehmensberater tätig.
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