ELearning: Wo bleibt der Fokus auf das Lernen?
St. Augustin, Dezember 2010 - (von Dr. Martin Wolpers, Fraunhofer Institut für Angewandte Informationstechnik FIT) Anlässlich der ONLINE EDUCA 2010 war ich zu einem Expertenpanel mit dem Thema eines kritisches Rückblicks auf 15 Jahre eLearning eingeladen. In diesem Rahmen stellte ich ein paar Betrachtungen an, die mich letztendlich zu dem Schluss kommen ließen, dass die Idee des eLearning nicht funktioniert. Damit meine ich, dass zwar sehr viel Geld für eLearning ausgegeben wurde und wird, eine signifikante Verbesserung der Lehre oder des Lernens aber nicht wirklich nachgewiesen werden konnte.
Natürlich ist mein obiges Pauschalurteil über eLearning mehr falsch als richtig. Es gibt keinen Beweis, dass eLearning funktioniert, doch liegt das eher daran, dass eLearning als Sammelbegriff genommen und nicht differenziert genug betrachtet wird. Tatsächlich verstecken sich hinter dem Begriff eLearning eine Unmenge an verschiedenen Ansätzen, Technologien, Verwendungsszenarien und Konzepten, die in manchen Teilbereichen sogar sehr erfolgreich angewendet wurden und werden. Beispielsweise werden Lernmanagmentsysteme (LMS) sehr erfolgreich in der Verwaltung der Lehre, seien es Lehrer, Lerner, Kurse oder Inhalte, angewendet. Ebenfalls erfolgreich ist die Möglichkeit, Lehrmaterial zur Verfügung zu haben und zu stellen - wesentlich mehr als noch vor 15 Jahren erreichbar war.
Ebenso wird eLearning bzw. das, was jeder darunter versteht, bereits in vielen Lernkontexten eingesetzt. So nutzen Firmen Konzepte und Technologien aus dem eLearning, um Mitarbeiter zu schulen, Kunden neue Produkte näherzubringen und Weiterbildungspotentiale zu eröffnen. Universitäten nutzen Systeme zur Verwaltung von Studenten und Kursen, zur Bereitstellung von Lehrmaterial, usw. Ähnliches gilt für Schulen und den Hobby- sowie den allgemeinen Aus- und Weiterbildungsbereich. In näherer Vergangenheit hat dann auch endlich die Unterstützung der Zusammenarbeit, sowohl gleichzeitig als auch zeitversetzt, zugenommen, so dass Lerner heute gemeinsam Aufgaben über das Web bearbeiten und lösen können.
Trotz all dem kann jedoch nicht guten Gewissens behauptet werden, dass eLearning ein Erfolg ist. Denn nach wie vor fehlt der Nachweis, dass die Verwendung von eLearning (also allem, was unter diesem Begriff zusammengefasst wird) tatsächlich das Lernen an Schulen, in Universitäten oder am Arbeitsplatz verbessert hat.
Um diesem hehren Ziel ein wenig näher zu kommen, wäre es hilfreich, wenn der Lerner von der Notwendigkeit des Umgangs mit seiner Lernumgebung entbunden wird. Statt vom Lerner immer wieder Interkation zu fordern, sollte die Lernumgebung selbst in den Hintergrund treten und dem Lerner die Konzentration auf das Lernen an sich ermöglichen. Ein solcher Versucht wird im von Fraunhofer Fit koordinierten und von der EU geförderten Projekt ROLE gemacht.
Gleichzeitig sollte der Lerner darin unterstützt werden, seine eigene Art zu Lernen kennen, nutzen und verbessern zu lernen - ganz so, wie gute Lehrer das heute in Schulen machen bzw. im informellen Bereich die Interaktion mit anderen Lernern anderer Wissensstufen dies automatisch erfüllen. Hierbei kann der Computer assistieren und die bisherigen Erfolge des eLearning tatsächlich für alle Seiten gewinnbringend einsetzen.
Natürlich muss auch die Rolle der Lehrer überdacht werden. eLearning kann beispielsweise verwendet werden, um Lehrern die Übernahme der Tutorenrolle zu ermöglichen und somit neue Einsichten in das Lernen der jeweiligen Lerner zu ermöglichen. Darüber hinaus können Ansätze aus dem eLearning Lehrern bei der Reflektion über ihre Kurse, Lehrmaterialien und natürlich Studenten helfen. Und schlussendlich ermöglichen entsprechende Ansätze auch die Reflektion über das eigene Lehren.
Gleichzeitig können heute schon eLearning Ansätze verwendet werden, um den Lehrer bei der Erstellung der Lehrmaterialien (siehe beispielsweise das EU-geförderte OpenScout Projekt), der Kurse oder der Lernerfahrungen (eine Referenz hierfür ist das gerade gestartete EU-geförderte NaturalEurope Projekt) signifikant zu entlasten.
Letztlich müssen auch Organisationen begreifen, dass der Einsatz von eLearning zwangsläufig zu Veränderungen in der Organisation führen wird. Beispielweise gehört zu diesem Wandel, dass das Lernen eine natürliche Aktivität am Arbeitsplatz wird. Heute ist dem bei weitem noch nicht so. Ein anderes Beispiel stammt aus dem Einsatz von mobilen Endgeräten. Hier müssen Organisationen beispielsweise lernen, dem Arbeitnehmer in seinen Lernbemühungen zu vertrauen und die Kontrolle über die Lernaktivitäten anders als bisher weit weniger eng durchzuführen, wie sich bereits im von Land NRW geförderten Projekt LogiAssist abzeichnet. So verlangen heutige Ansätze wie die des Mobile Learning oder der Serious Games eine Öffnung der Organisation hin zu einem freieren Umgang mit firmeninternen Lehrmaterialen und Kontakten.
Zusammenfassend ergibt sich somit kein so positives Bild über den Status von eLearning, wie wir das gerne hätten. Aber es gibt genügend Indikatoren, dass mit dem bewussten Umgang von eLearning (bspw. Förderung desselben) der Lerner in die Lage versetzt werden kann, sich auf das Lernen und nicht seine Lernumgebung zu konzentrieren. Ein solcher Indikator ist die 10-prozentige Steigerung der Effektivität des Lernerfolgs wie im gerade beendeten EU-gefördertes MACE Projekt nachgewiesen.
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