Politik & Forschung

Ausbau der Medienkompetenzförderung gefordert

Berlin, März 2011 - Über 400 Fachleute aus Bildung und Wissenschaft trafen sich an der Technischen Universität Berlin zum medienpädagogischen Kongress "Keine Bildung
ohne Medien!". Die Beratungen kamen zu einem eindeutigen Ergebnis: Es bedarf erheblich größerer Anstrengungen in allen Bildungsbereichen, um die Förderung von Medienkompetenz
in Deutschland voranzubringen. Notwendig sei jetzt bei der Politik der Mut zu Entscheidungen, resümieren die Veranstalter.
Es gelte, Die bisherige Phase des Aktionismus zu beenden und breitenwirksame und nachhaltige Maßnahmen einzuleiten.




Internet und digitale Medien haben soziale Verhältnisse, Kommunikation, Bildung und Kultur umfassend verändert, was auch Auswirkungen auf politische und wirtschaftliche Strukturen hat. Die Kongressteilnehmer sprachen von einer digitalen Revolution. In Kontrast hierzu stehen die nicht ausreichenden Angebote, um Kinder, Jugendliche und Erwachsene in einem selbstbewussten, kreativen und kritischen Umgang mit Medien zu unterstützen.


Thomas Langheinrich, Präsident der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, sagte, dass er zusammen mit der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen den Kongress gefördert habe, weil es darum gehe, eine Phase des Aktionismus zu beenden und im Zusammenwirken aller Akteure nachhaltige Strukturen zu schaffen, die auch dauerhaft finanziert werden.


Lutz Stroppe vom Bundesjugend- und -familienministerium befürwortete eine stärkere Vernetzung verschiedener Bereiche und sprach sich deutlich dafür aus, die Chancen und die vorhandenen kreativen Potenziale der Menschen im Umgang mit Medien in den Mittelpunkt zu stellen und in diesem Zusammenhang auch Risiken im Mediengebrauch zu thematisieren. Dabei sei es sehr wichtig, auch die Eltern zu erreichen, z. B. durch generationenübergreifende Medienprojekte.


Rudolf Peschke unterstrich als Vertreter der Kultusministerkonferenz (KMK), dass in nächster Zeit bundesweit Mindeststandards zur Medienkompetenz festgelegt werden sollten und hierüber das Gespräch mit der KMK und den
einzelnen Ländern zu führen sei. Notwendig seien eine Bündelung der Diskussion und eine gesamtgesellschaftliche Strategie.


Seitens des Bundesbildungsministeriums erklärte Gabriele
Hausdorf die Bereitschaft, sich in den Austausch über eine solche gesamtgesellschaftliche Strategie einzubringen und seitens des BMBF einen Beitrag zu leisten. Hierfür werde
sie auch Möglichkeiten im Rahmen einer speziellen Forschungsförderung prüfen.


Mit dem Berliner Medienkongress wurde ein wichtiger Schritt gemacht, die Anliegen und Forderungen des "Medienpädagogischen Manifest" aus dem Jahre 2009 zu konkretisieren. Die 400 Kongressteilnehmer erarbeiteten in 13 Arbeitsgruppen hierzu Vorschläge. Prof. Horst Niesyto von der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg fasste als Sprecher der Initiative zentrale Punkte zusammen:

  • Eine medienpädagogische Grundbildung muss in allen pädagogischen Studiengängen angestrebt
    werden, damit angehende Fachkräfte besser in der Lage sind, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Impulse für eine kreative und kritische Nutzung von Medien zu geben. Vertiefte medienpädagogische Studienangebote sind an Hochschulen als
    Wahlbereiche auszubauen, um den wachsenden medienpädagogischen Fachkräftebedarf abzudecken.
  • Kein Jugendlicher darf Schule ohne grundlegende Medienbildung verlassen, keine Lehrkraft darf ihre Ausbildung ohne Kompetenz zur Medienbildung abschließen. Medienbildung
    ist als fester Bestandteil von Fort- und Weiterbildungen in allen Bildungsbereichen zu verankern.
  • Notwendig sind eine kontinuierliche Grundfinanzierung medienpädagogischer Praxisprojekte und alltagsnahe Beratungs- und Unterstützungsangebote, die auf die Bedürfnisse der einzelnen Zielgruppen eingehen und ein selbständiges medienbezogenes Handeln fördern.
  • Vorhandene Ressourcen sind besser zu vernetzen; Schule muss sich deutlich mehr für außerschulische Partner öffnen; Schulmediotheken sind stärker zu nutzen, auch für aktiv-
    produktive Gestaltung mit Medien; es bedarf koordinierender Stellen, um eine praxisnahe Vernetzung medienpädagogischer Projekte in Gemeinwesen und Region voranzubringen.
  • Notwendig sind gezielte Maßnahmen, um der zunehmenden digitalen Ungleichheit zwischen Jugendlichen und ihren digitalen Jugendkulturen im Interesse von Chancengleichheit
    und Bildungsgerechtigkeit aktiv entgegenzutreten. Medienarbeit als kreativer Selbstausdruck muss Freiräume schaffen, um das Schrift-Sprachliche, das den Schulunterricht dominiert, um andere Ausdrucksmöglichkeiten, um Bildlichkeit, Mündlichkeit,
    Objektbezug und Körperlichkeit, zu ergänzen.
  • Auch die Rahmenbedingungen für medienpädagogische Forschung und Lehre sind entscheidend zu verbessern, um den aktuellen gesellschaftlichen Anforderungen und medialen
    Entwicklungen angemessen nachkommen zu können, insbesondere durch den Ausbau medienpädagogischer Professuren an Hochschulen, die Einrichtung eines Forschungsförderschwerpunkts
    zum Themenfeld Medien und Bildung im Zusammenwirken
    von Bund und Ländern und eine gezielte Förderung akademischer Medien- und Informationskompetenz in allen Studienbereichen.

Die Initiative "Keine Bildung ohne Medien!" wird die Ergebnisse des Kongresses auswerten und auf der Website und in einer Broschüre dokumentieren. In einer weiteren Phase sollen
Entscheidungsträger in Politik, Medien, Wissenschaft und Wirtschaft gezielt angesprochen werden, um eine Verständigung über Eckpunkte für eine Gesamtstrategie zu erreichen.


Aus dem politischen Bereich gab es auf dem Kongress aktuelle Informationen, die ermutigend sind. So sagte Jürgen Schattmann als Vertreter des Jugend- und Familienministerium NRW, dass eine Verdopplung von Mitteln für medienpädagogische Projekte geplant sei. Das Kultusministerium in Baden-Württemberg plant, dass sich künftig alle Lehramtsstudierenden mit medienpädagogischen Fragen befassen und diese zu einem verbindlichen Bestandteil der mündlichen Abschlussprüfungen werden.