Standards und einheitliche Strategien sind gefragt
Zürich/Berlin, April 2011 - (von Prem Lata Gupta) Visionen haben den Nachteil, dass sie (manchmal) wie Wolkenkuckucksheime daherkommen. "Geht's auch eine Nummer kleiner?" denkt der genervte Leser. Trotzdem oder gerade deshalb formuliert Albrecht Kresse, Geschäftsführer der edutrainment company, seine eduTrends 2012. Was er prognostiziert oder auch fordert, ist anwendungsorientiert und konkret. Mehr Strategie in der Weiterbildung gehört genauso dazu wie das Credo sich mal locker zu machen. Kresse hat gute Argumente. Eines werden Unternehmen gerne hören: "Ich sehe riesige Einsparpotenziale."
Was steckt dahinter?
Albrecht Kresse: Konzerne wie Volkswagen oder Daimler wissen dies bereits. Aber auch große Mittelständler müssen für ihre Weiterbildung international denken. Es hilft nichts, eine tolle Maßnahme am Standort Deutschland aufzusetzen und sich erst hinterher Gedanken zu machen, wie man dasselbe dann bei der Tochter in China anpackt. Was oftmals fehlt, ist die Definition eines didaktischen Standards.
Es geht um Fragen: Wie werden Trainer ausgewählt, wie sollen Trainer arbeiten? In der Realität suchen sich die Landesgesellschaften vor Ort oft eigene Partner. Die arbeiten dann wieder ganz anders als die Partner in Deutschland. Hier steckt die methodische Globalisierung oft noch in den Kinderschuhen.
Was verstehen Sie unter einer 2.0-Strategie in der Personalentwicklung? Glauben Sie, dass Unternehmen sich unnötig abschotten?
Albrecht Kresse: Viele Unternehmen wollen das Web 2.0 nutzen, verfahren aber nach dem Denken des Politbüros, Verbote statt sinnvoller Spielregeln. Gerade junge Mitarbeiter leben in und mit dem Netz. Da könnte sich bei allzu restriktivem Gehabe der Unternehmen durchaus eine Haltung herausbilden nach dem Motto "Auf solch einen Arbeitgeber habe ich gar keine Lust."
Das heißt, da gehen Talente verloren...?
Albrecht Kresse: Zum Beispiel. Aber es gibt in letzter Zeit Gegentrends: Siemens hat die in einem Pilotprojekt Rechner freigegeben. Es existiert keine Trennung mehr zwischen beruflicher und privater Nutzung des Internets. Diese Grenze ist sowieso fließend. Die jungen Leute verbinden sich auf Twitter mit relevanten Experten viel schneller als groß angelegte Weiterbildungsmaßnahmen greifen oder die Informationen offiziell im Intranet bereitgestellt gestellt werden. Statt zu jammern oder sich abzuschotten, sollten die Unternehmen ihre Mitarbeiter lieber in Medienkompetenz schulen oder in puncto Lernen lernen.
Inwiefern profitiert der Arbeitgeber - außer dass sich seine Angestellten nicht reglementiert fühlen?
Albrecht Kresse: Ich sehe riesige Einsparpotenziale. Derzeit werden gigantische Summen ausgegeben, um bereits verfügbares Wissen immer wieder neu bereit zu stellen. Dabei findet man im Internet etwa bei Slideshare ganz tolle Infos: Da stehen Präsentationen im Netz, die auch für mich und meine Arbeit nützlich sein können. Das lässt sich anzapfen. Für den Nutzer ist dabei der Content wichtig, nicht das Firmenlogo am richtigen Platz. Genau dafür geben die Unternehmen aber jede Menge Geld aus. Web 2.0 Nutzung erfordert nicht nur einen Wandel in der Nutzung von Technologie, sondern einen Wandel der Kultur. Wer diesen Wandel schneller realisiert, hat deutliche Wettbewerbsvorteile.
Sie sind ein Verfechter des Lernens durch Spielen: Glauben Sie für die Zukunft an einen höheren Stellenwert für Spiele?
Albrecht Kresse: Das hat nichts mit meinen persönlichen Vorlieben zu tun. Es ist längst erwiesen, dass man durch Spielen besser lernt. Und damit meine ich nicht Games als kleines Add-on. Ich finde überhaupt den Begriff Serious Games unglücklich. Was wir bräuchten, ist eine Business-Variante von World of Warcraft. Also etwas, was die Nutzer involviert, eine hohe Anziehungskraft gerade für die digital natives hat. Da möchte ich hin. In Frankreich wird bereits sehr viel mehr Geld als bei uns für spielbasierte Anwendungen ausgegeben, sowohl bei der Rekrutierung als auch bei der Kompetenzvermittlung.
Da denken bestimmt viele Leser: Ach, das ist alles so teuer...
Albrecht Kresse: Ich bin davon überzeugt, dass man Budgets bündeln könnte. Denkbar ist, dass die Personalentwicklung sich etwas bauen lässt als technische Lösung, was auch die Marketingabteilung nutzen könnte. Da existieren noch zu wenige Standards. Die Zukunft liegt in Systemen, die zusammenwachsen, damit Geld nicht mehrmals ausgegeben wird.
Passiert das nicht sowieso innerhalb der Personalentwicklung, leider?
Albrecht Kresse: Ja, beispielsweise wenn ein Präsenztraining und eine Online-Training zum Thema Projektmanagement nicht aufeinander abgestimmt sind. Auch hier ist oftmals keine einheitliche Strategie sichtbar. Hier haben wir es mit didaktischen Schnittstellen zu tun, die nicht sauber sind. Die Zukunft liegt darin, solche Maßnahmen optimal zu verzahnen.
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