Schulpraxis

Digital ist jetzt - in der Alemannenschule Wutösching

Wutösching, September 2018 - Im landschaftlich reizvollen Wutachtal liegt die Alemannenschule Wutösching (ASW) – eine von gut 40 Starterschulen der im Südwesten noch jungen Schulart Gemeinschaftsschule. Was anderswo futuristisch scheint, wird dort seit Gründung umgesetzt: Die Integration digitaler Medien in den Schulalltag. Auf der didacta war die ASW bereits vertreten, eine Vielzahl ausländische Schulen und Bildungsträger interessieren sich für das außergewöhnliche pädagogische Konzept, das den Raum als dritten Pädagogen in einer Weise einbindet, die jede tradierte Vorstellung von Schule verblassen lässt.

In Wutöschingen, im äußersten Süden der Bundesrepublik, gehören für alle Pädagogen genau wie die Schulleitung digitale Medien für sämtliche Unterrichts- und administrative Aufgaben zum täglichen Handwerkszeug. Die eigens entwickelte Lern- Kommunikations- und Schulsoftware DiLer, steht jedem Lernenden, den Eltern und den Lehrenden zur Verfügung. Mit dem System können Lehrinhalte jederzeit abgerufen werden, der Lernfortschritt jedes Lernpartners ist passwortgeschützt einsehbar, sämtliche administrative Handlungsweisen lassen sich über diese Software aktivieren.

Während in den letzten 200 Jahren alle gleichaltrigen Kinder beim gleichen Lehrer mit dem gleichen Lehrmittel im gleichen Tempo das gleiche Ziel zur gleichen Zeit gleich gut erreichen sollten ("7G-Modell"), erwartet in der VUCA-Welt heute nicht zuletzt die Wirtschaft von Berufseinsteigern Individualität, Kreativität und selbstständiges Denken. Doch: Um einer komplexen Realität begegnen zu können, helfen standardisierte Strukturen kaum weiter.  Deshalb setzt die ASW auf ein so genanntes "8V-Modell": Dies führt auf vielfältigen Wegen mit vielfältigen Menschen an vielfältigen Orten zu vielfältigsten Zeiten mit vielfältigen Materialen in vielfältigen Schritten mit vielfältigen Ideen in vielfältigen Rhythmen zu gemeinsamen Zielen.

Die Lernstrukturen der ASW ermöglichen ein vollkommen personalisiertes Lernen, bei dem die Schülerinnen und Schüler (Lernpartner) je nach Graduierungsstatus selbst entscheiden, was sie wo, wann, mit welchem Material und mit wem lernen. In wöchentlichen Lernberatungen beispielsweise und im täglichen Kontakt (ein Lernbegleiter betreut 14 Lernpartner) werden gemeinsam Ziele formuliert, Hilfestellungen gegeben, und an der Beziehung gearbeitet. So wissen die Kinder zu jedem Zeitpunkt, was sie noch nicht durchdrungen haben, wo, womit und mit wem sie dies lernen können - und vor allem, was sie bereits können.
Die ASW fördert auf diese Weise, soweit es rechtliche Rahmenbedingungen und Schulverwaltungsorgane zulassen, das Potenzial eines jeden Einzelnen. Stundenkontingenztafeln und Bildungsplänen zum Trotz haben Kinder die Möglichkeit, Schwerpunkte in ihrem Lernen zu setzen, auch vermeintlich außerschulisches (wie  Instrumentalunterricht, Imkerei, Teichbau, etc.) findet einen Platz und seine angemessene Würdigung.

Auffälligste Veränderung gegenüber traditionellen Schulkonzepten ist sicherlich die Verwendung digitaler Medien. Mit einem iPad im Verhältnis 1:1 für jeden Lernpartner (ca. 400 Devices), AppleTV, Smartboards, schulweitem WLAN und vielem mehr, begegnet die Schule und Gemeinde Wutöschingen der Herausforderungen der digitalen Transformation. Ein "Fuhrpark", für den in der Wirtschaft ein ganzes Team an IT-Spezialisten verantwortlich zeichnen würde. Das gesamte Medienkonzept wurde durch die Gemeinde als Schulträger, Lernbegleiter sowie Eltern realisiert. Fördermittel des Landes standen nicht zur Verfügung.

Als weitere Besonderheit der ASW wird der Raum als "dritter Pädagoge" eingesetzt. Denn: Wenn nicht mehr alle Kinder das Gleiche zur gleichen Zeit lernen, benötigen sie unterschiedliche Räume. Er bedarf Räume

  • um in Ruhe alleine zu lernen
  • um kollaborativ zu lernen,
  • um digital zu lernen,
  • um sich auszuruhen.

Mit ungewöhnlichen Einbauten, teilweise durch aus der Not geboren wie ein mehrstöckiger Innenausbau mit Emporen aus Holz, sowie außergewöhnlichen innenarchitektonischen Lösungen, die gemeinsam mit erfahrenen Schulgestaltern kreiert wurden, bietet die gesamte Schule eine Fülle an Resonanzräumen. Diese sorgen dafür, dass sich alle Akteure wohl fühlen und bestmögliche Lern- und Arbeitsbedingungen vorfinden. Die Lernatmosphäre in Räumen, die mit weit mehr Kindern als Klassengröße besetzt sind, ist vorbildlich.