Fehlender Konsens hält Einzug von ITK in der Schule auf
Berlin, November 2012 - Wesentlichen Anteil am Fachkräftemangel in Deutschland hat eine unzureichende Qualifizierung in der Bildung. Diese Position vertritt der BITKOM als Bundesverband für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien. Thomas Seidel, Leiter der BITKOM-Akademie, präzisiert: "So wie Bildung heute in der Schule stattfindet, führt sie zumeist nicht zu adäquater Vorbereitung auf die Herausforderungen für das 21. Jahrhundert. Das gefährdet langfristig den Wirtschaftsstandort." Doch wo wäre der Hebel anzusetzen? BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf formulierte im Vorwort der Studie Schule 2.0: "Ganzheitliche Konzepte müssen auf den Tisch."
"Nur wenige Bundesländer verfolgen eine konsequente eSchool-Strategie." heißt es da. Und weiter: "Ausstattung der Schulen, pädagogische Konzepte und die Lehrerweiterbildung stehen meist unverbunden nebeneinander. Die Lehrkräfte werden nicht wirksam begleitet bei ihren Versuchen, elektronische Medien konsequent einzusetzen. Die Chance, die private Nutzung von ITK durch junge Menschen für deren Lernprozess nutzbar zu machen, wird verschenkt."
Der Fortschritt kommt nur sehr langsam voran und im internationalen Vergleich rutscht Deutschland weiter ab. Gründe dafür sind vielschichtig. Folgend nennt Thomas Seidel zentrale Punkte, die den Fortgang blockieren. "Die Entscheidungsrechte im deutschen Bildungssystem sind so auf einzelne Ebenen verteilt, dass nur unter besonders günstigen Voraussetzungen ein ganzheitlicher Ansatz entstehen könnte. Was die Ministerien beschließen passt häufig nicht mit den Aktivitäten der Schulträger zusammen. Lehrplan und Lehrerfortbildung werden vom Land vorgegeben, Ausstattung mit Hard- und Software werden vom Schulträger angeschafft. Der Schulrat stellt die Lehrer ein. Auf die Bedürfnisse der einzelnen Schule wird bei all diesen wichtigen Bedingungen für den Change nur selten gehört. Die für den nötigen Veränderungsprozess in der Schule äußerst wichtige Rolle der Schulleitung ist u.a. dadurch in Deutschland äußerst schwach."
"Zudem kommen eine unzureichende Ausbildung bezüglich der managenden Funktion und eine verhältnismäßig schlechte Bezahlung hinzu, was die Position Schulleitung für viele nicht erstrebenswert macht. Ein auf die Schule bezogenes Nutzungskonzept für die Medien kann unter diesen Bedingungen nur schwer durchgesetzt werden. Was bleibt sind vereinzelt aktiv werdende Lehrer, die mit Enthusiasmus eigene Interpretationen der '21st-Century-Skill-Pedagogy' umsetzen.
Auch wenn wir hier weit entfernt sind von einem ganzheitlichen Ansatz und zurzeit mehr Heterogenität als Homogenität erzeugen - es kommt immer mehr Hard- und Software an die Schulen."
Die weltweit gesammelten Erfahrungen zeigen, dass eine Entwicklung dann erfolgreich stattfindet, wenn die Ausstattung, einhergeht mit der Annahme der neuen pädagogischen Unterrichtskonzepte durch die Lehrer.
Diese pädagogischen Konzepte sind vielen Lehrern in Deutschland nicht nur nicht bekannt, es herrscht allgemein kein Konsens darüber, was konkret diese Konzepte umfassen.
Jeder Lehrer ist sich selbst überlassen bei der Anpassung seines Unterrichts. Vorprogrammiert ist, dass es so auf absehbare Zeit zu keiner Veränderung des Unterrichts kommen und der Computer durch ein weiterverwenden der alten pädagogischen Schablonen beim Einzug ins Klassenzimmer aufgehalten wird.
Doch wie kann den Lehrern konkret vermittelt werden, wie ein Unterricht aussieht, der die nötigen Kompetenzen für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bei den Schülern herausbildet? Hier ertönen immer sehr schnell die Rufe nach Lehrerfortbildung, was per se auch sinnvoll ist. Zuvor sollten aber die Ansätze gesammelt, bewertet, in die Ausbildung der Lehrer integriert werden. Ein klares einheitliches Bild sollte entstehen, wobei das nicht heißen soll, dass nur eine Methode zugelassen wird.
In leicht verständlicher, praxisorientierter Form müssten die Ansätze dann auch den Lehrern und der pädagogischen Diskussion in Fachzeitschriften zur Verfügung gestellt werden. In vielen anderen Ländern ist die pädagogische Diskussion wie Rechner im Unterricht eingesetzt werden können deutlich stärker. Gerader dieser zuletzt genannte Schritt wäre mit nur kleinen Investitionen verbunden, kann aber große Wirkung haben.
Es gibt ausreichend internationale Institutionen deren Arbeiten, die hier als Vorbild dienen können.
Die Sites2-Studie (Second Information Technology in Education Study) beschreibt z.B. die am häufigsten verwendeten Unterrichtsszenarien mit Computer. Andere Untersuchungen haben die Kernaspekte der dort beschriebenen Arbeitsweisen bestätigt. Es ist von projektorientiertem Arbeiten, eigenverantwortlichem Arbeiten mit Übungsphasen, Befragungen und Untersuchungen außerhalb des Klassenzimmers, Labor-Arbeit und anderem mehr die Rede. Pädagogische Arbeitsweisen wie sie auch das SCHULFORUM der ONLINE EDUCA BERLIN aus der Praxis vorstellt.
Seidel plädiert für "eine Umstellung in der pädagogischen Diskussion, die nicht abstrakt ist, sondern die der Lehrer versteht. Die heruntergebrochen wird auf konkrete, nachvollziehbare Arbeitsweisen. Die Arbeit mit Szenarien zeigt dem Lehrer wie Unterricht mit Computerunterstützung aussieht. Der Lehrer kann leicht die Szenarien in seiner Klasse nachstellen."
Seidel weiß aber auch: "Diese neue Art der Pädagogik ist bei weitem noch nicht verankert."
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