Xinnovations 2009

Trendbarometer für technologische und soziale Innovationen

Berlin, September 2009 - In einem dreitägigen Veranstaltungsmarathon unterstrich die Xinnovations 2009 ihren Anspruch, der Trendbarometer für netzbasierte Informationstechnologien zu sein. Auf der Konferenz diskutierten rund 600 Tagesbesucher aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung Lösungskonzepte und
Visionen für die Informationsgesellschaft der Zukunft.




eJustice 3.0



Prof. Robert Tolksdorf, Leiter der Arbeitsgruppe Netzbasierte Informationssysteme (NBI) am Institut für Informatik an der Freien Universität Berlin, stellte dar, welchen Einfluss Web 2.0- und Web 3.0-Technologien auf das Justizwesen haben könnten und sollten. Insbesondere erläuterte er, wie
semantische, sprich Web-3.0-Technologien, in Zukunft die Erschließung juristischer Informationen im Web erleichtern können.


Demnach werden die Intermediäre zwischen Bürger und Recht durch semantisch bereitgestellte Daten (Gesetze, Urteile) geschwächt. Tolksdorfs provokative Frage lautete daher, ob diese Art der Transparenz von den Juristen überhaupt erwünscht ist bzw. inwiefern die Justiz und ihre Verfahrensbeteiligten auf diese Entwicklung vorbereitet sind.


Collaboration 2.0



Wie der faktischen Macht des Internets zu begegnen ist und welche Antworten es für eine moderne Gesellschaft geben muss, wurde auch im Forum eGovernment thematisiert. Prof. Dr. Jörn von Lucke von der Zeppelin University unterbreitete unter dem Titel Collaboration 2.0 Vorschläge für einen neuen Innovationsschub in der öffentlichen Verwaltung durch Crowd Sourcing. Seine These: "Web-2.0-Technologien eröffnen mittlerweile vielfältige Möglichkeiten zur Einbindung innovativer und kreativer Menschen.


Gerade die Jedermann-Jederzeit-Änderungsmöglichkeiten, das gemeinsame Lösen von Aufgaben und das verteilte Bearbeiten von Projekten geben der Zusammenarbeit einen ganzen neuen Schub im Sinne von Collaboration 2.0." Mit dieser neuen Form der Zusammenarbeit, im Englischen als "Crowd Sourcing" bezeichnet, könnte eine neuartige Ideenfabrik für den öffentlichen Sektor eingerichtet werden.


Verwaltungsmitarbeiter wären so mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen in einen offenen Innovationsprozess eingebunden. Collaboration 2.0 zeigt, dass es sich nicht bloß um eine theoretische Diskussion handelt, sondern es um eine "strategische Neuaufstellung von Staat und Verwaltung im globalen Wettbewerb um kluge Köpfe, Innovationskraft, wettbewerbsfähige Produkte und zukunftssichere Arbeitsplätze geht".


Ubiquitäre Demokratie



Pavel Mayer, Geschäftsführer ART+COM Technologies, präsentierte internetgestützte Ansätze für eine ubiquitäre Demokratie. Seine Hauptthese lautete: "Vor dem Hintergrund eines multisektorialen Wandels zur Informationsgesellschaft mangelt es den zentralen Akteuren an Antizipations- und
Adaptionsfähigkeit". So seien die Schwierigkeiten der parlamentarischen Demokratie, die Partizipationsmöglichkeiten durch das Internet in den politischen Entscheidungsprozess zu integrieren, die Symptome eines krisenhaften Wandels.


Für Mayer werden neue demokratische Beteiligungs- und
Entscheidungsformen benötigt, die in der Piratenpartei derzeit unter dem Begriff "Liquid Democracy" diskutiert werden. Für die Teilnehmer einer solchen Demokratie hieße das zu jedem Zeitpunkt für sich selbst entscheiden zu können, wo auf dem Kontinuum zwischen repräsentativer und direkter Demokratie er sich aufhalten möchte. Jederzeit.


Das bedeutet, dass ich als Teilnehmer beispielsweise sagen kann: "Für Steuerrecht möchte ich gerne durch die Partei SPD, für Umweltpolitik durch die Partei die Grünen und für die Schulpolitik durch die Privatperson Herrn Müller vertreten werden. Für die Entscheidung über das neue Hochschul-Zulassungsgesetz an den Universitäten möchte ich aber selbst abstimmen."


Entscheidend für dieses Mix-Prinzip sei, dass man sich nicht mehr für ein Bündel von Prinzipien entscheiden muss, wie es beispielsweise eine Partei bietet, sondern man sucht sich je nach Thema die Experten aus, denen man vertraut, oder entscheidet selbst.


Die Veranstalter Prof. Johann-Christoph Freytag, Ph.D., von der Humboldt-Universität zu Berlin, Prof. Dr.-Ing. Robert Tolksdorf von der Freien Universität Berlin und Rainer Thiem, Vorstandsvorsitzender des Xinnovations e. V. sehen in der hohen Teilnehmerzahl eine Bestätigung des Veranstaltungskonzeptes.

Ziel ist es nun, die Impulse aus den einzelnen Foren und Workshops aufzugreifen, um sie anschließend im Sinne des permanenten Innovationsforums in realen und virtuellen Foren zu diskutieren und in neue innovative Projekte zu überführen. Aus Sicht von Rainer
Thiem sind die Xinnovations hervorragend geeignet, die Innovationskultur in Berlin im Bereich der netzbasierten Informationstechnologien zu befördern.


Die Xinnovations 2010 finden vom 13. bis 15. September 2010 an der Humboldt-Universität zu Berlin statt.