Hintergründe zur "50plus-Etikettierung"
Brunsbüttel, Februar 2009 - Ist die Zielgruppe "50plus" tatsächlich eine Zielgruppe für die Erwachsenenbildung oder lediglich eine kommerzielle Kreation? In der vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung veröffentlichten Arbeit "Generation 50plus - kommerzielle Erfindung oder neue Zielgruppe für die Erwachsenenbildung?" setzt sich die Autorin Elke-Heidrun Schmidt durchaus kritisch mit der Zielgruppendefinition auseinander.
Sie kommt zu dem Schluss: "Bei aller Kritik an der Undifferenziertheit des Begriffs 50plus lassen sich doch einige Ansatzpunkte für die Erwachsenenbildung identifizieren."
Nicht nur im Produktmarketing, sondern auch in der Weiterbildung finden sich mehr und mehr Angebote, denen das Etikett "50plus" anhaftet: "PC-Einführung 50plus", "Englisch mit Muße ab 50", "Handykurs 50plus" sind nur einige Beispiele für diesen Trend. Aber ist diese "Kreation" einer neuen Zielgruppe 50plus wirklich begründet?
Die Altersgrenze, ab der Menschen Ziel von Angeboten der Seniorenbildung werden, ließ sich in der Vergangenheit überwiegend am Ruhestandsalter festmachen. Diese Grenze ist seit den 1970er Jahren zwar faktisch gesunken, lag aber dennoch immer deutlich oberhalb von 50 Jahren. Nach neuester Gesetzgebung wird das Renteneintrittsalter in Zukunft sogar erst bei 67 Jahren liegen. Ein heute 50jähriger Arbeitnehmer steht demnach in der Regel noch viele Jahre im Erwerbsleben.
In diesem Zusammenhang ist auf die Gefahr zu verweisen, die von einer "50plus-Etikettierung" (allgemein, aber auch in Zusammenhang mit Weiterbildungsangeboten) ausgeht: Denn wenn sich, auch aufgrund solcher Angebote, im gesellschaftlichen Bewusstsein die Auffassung vom 50. Geburtstag als Schwelle zum "Altsein" festsetzt, kann dies fatale Folgen für die betroffenen Menschen haben, die in diesem Alter mehrheitlich noch lange am Berufs- und Gesellschaftsleben teilnehmen und dies aktiv mitgestalten wollen.
Die Autorin belegt die Willkür einer an einem bestimmten Lebensalter festmachenden Altergrenzziehung anhand zahlreicher Beispiele. Ihr Fazit: Im Lernen jüngerer und älterer Menschen bestehen zweifellos Unterschiede, allerdings wäre eine differenziertere Theorie der Methodik und Didaktik in Maßnahmen für "ältere Generationen" vonnöten.
Diese wird jedoch nur unter Schwierigkeiten zu entwickeln sein: Denn zunehmend individualisierte Lebensstile und die Ablösung des klassischen soziologischen Schichtmodells durch differenzierte Milieumodelle brächten in neuerer Zeit eine geradezu "atomisierte" Anzahl unterschiedlicher Zielgruppen hervor, die die Sicht auf eine zu entwickelnde Methodik und Didaktik verstelle.
Biologisch gibt es jedenfalls keine Gründe, eine Grenzziehung zum Alter bei 50 Jahren vorzunehmen. Allerdings gibt es durchaus Gründe, bestimmte Weiterbildungsangebote auf dieses Alter zuzuschneiden: So finden sich z.B. Hinweise auf die Sinnhaftigkeit einer auf die Bewältigung von Krisen in der Lebensmitte abzielende Bildung. Zielgruppe sind dabei jedoch eher Menschen "um 50", nicht "ab 50", weswegen der Begriff "50plus" geeignet ist, in die Irre zu führen.
Aspekte des Weiterbildungsmarketing
Als Zielgruppe des Weiterbildungsmarketing sind die "jungen Alten" sehr ernst zu nehmen, aus Gründen, die im Kern denen des kommerziellen Produktmarketings gleichen. Bei den "jungen Alten" handelt es sich längst nicht mehr um eine Minderheit, um die sich Erwachsenenbildung "auch" zu kümmern hat.
Es geht um eine quantitativ wie hinsichtlich ihrer Wirtschaftskraft bedeutende Gruppe mit wachsendem Selbstbewusstsein, die selbst Bedürfnisse formuliert und Forderungen stellt. Dennoch spiegeln die Angebote der Erwachsenenbildung die gewachsene Bedeutung dieser Zielgruppe bislang nicht wider.
Dabei sollte die Erschließung und Befriedigung ihrer Bedürfnisse den Weiterbildungseinrichtungen insbesondere dann nicht schwer fallen, wenn - wie in den von der Autorin untersuchten Volkshochschulen - viele der planungsverantwortlichen Mitarbeiter selbst dieser Zielgruppe angehören.
Dem Eindruck der pädagogischen Undurchdachtheit von Etikettierungen wie "50plus" und ähnlichen Bezeichnungen sollte in der Praxis dringend begegnet werden durch eine deutlichere Binnendifferenzierung bei den Kursangeboten für "Ältere". Verbunden werden sollte dies mit einer Auseinandersetzung mit den besonderen Werten und Visionen der Gruppe der 50- bis 60-Jährigen.
Die Autorin
Die Diplom-Ökonomin und Erwachsenenbildungswissenschaftlerin Elke Heidrun Schmidt (54) ist Fachbereichsleiterin an der Volkshochschule Brunsbüttel und arbeitet daneben freiberuflich als Fachautorin und Dozentin. Ihre aktuelle Forschung betrifft das Altersbild von Erwachsenenbildnern.
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