"Gelungenes Bildungscontrolling hat Wirksamkeit im Fokus"
Erlangen, September 2016 - Der Lerntransfer ist eine Größe, die die meisten Bildungsmanager beschäftigt. Erich R. Unkrig, Head of People Developement / Deputy VP HR Germany beim Technologiekonzern Areva, ist dem Beitrag von Qualifizierung zum Unternehmenserfolg auf der Spur. Dreh- und Angelpunkt ist für ihn dabei ein starkes committment der oberen Führungskräfte.
Welche Rolle spielt die Transfersicherung von Weiterbildungsleistungen in Ihrer Organisation?
Erich R. Unkrig: Die Führungskräfte und Mitarbeiter von AREVA gehen im positiven Sinne kritisch mit der für ihr Lernen investierten Zeit um. Sie bewerten explizit bei nahezu allen Maßnahmen unter der Fragestellung "Hat mir diese Zeitinvestition mittel- und langfristig mehr professionelle Effizienz und Effektivität gebracht?". Dieser "Lern-KPI" unserer internen Kunden hat konsequenterweise zur Folge, dass wir zielführende Maßnahmen vor, ggf. während und auf jeden Fall nach einer Lernaktivität ergreifen, um die optimale Anwendung von Lerninhalten sicherzustellen.
Warum tun sich viele Personaler und auch Organisationen mit einem strukturieren Controlling von Bildungsleistungen so schwer?
Erich R. Unkrig: Tatsächlich erhebt nahezu jede Personalentwicklungs- oder Trainingsabteilung Kennzahlen - und wenn es lediglich die Zufriedenheitsquote, ich nenne das gerne die "happy sheets", am Ende einer Veranstaltung ist. Der Unterschied liegt sicherlich in der Arbeit mit den erhobenen Kennzahl(en). Hierbei reicht die Spanne von ausgeklügelten Messsystemen bis hin zum ungeprüften "Verstauben" in Ordnern.
Controlling wird oft als "Kontrolle" gelebt und nicht als ein Teilbereich des unternehmerischen Führungssystems verstanden, dessen Hauptaufgaben Planung, Steuerung und dann auch Kontrolle sind. Dies ist dann sicherlich nicht das Bild, was die meisten Personalentwickler und Bildungsmanager mit ihrer Aufgabe in Verbindung bringen wollen. Zudem spielt sicherlich eine Rolle, dass man für ein funktionierendes Bildungscontrolling ein recht komplexes Verständnis respektive einen belastbaren Einblick in die Unternehmens- und Personalstrategie sowie die entsprechenden Rahmenbedingungen braucht. Auch hier gibt es den einen oder anderen Nachholbedarf auf HR-Seite und vor allem auf der Bildungs- und Personalentwicklungsseite.
Darüber hinaus sind relevante Messgrößen für Lernerfolg wichtig, anhand diesen wird geplant, gesteuert und letztendlich bewertet. Sie zu finden und zu verfolgen, ist eine der größten Herausforderungen. Sicherlich gibt es weitere respektable Gründe, wie zum Beispiel die Tatsache, dass Lernen eben den Menschen im Fokus hat - und damit eine volatile "Masse", die eben nicht mit einem Messgerät oder an einem Messzeitpunkt zu messen ist.
Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Parameter eines gelungenen Bildungscontrollings?
Erich R. Unkrig: Gelungen ist ein Bildungscontrolling dann, wenn es die Zielwirksamkeit des jeweiligen Lernprozesses im Fokus hat. Hierzu liefert das häufig angeführte, jedoch eher selten praktizierte Modell von Kirkpatrick einen ganz guten Rahmen, den jedes Unternehmen für diesen Zweck adaptieren kann. Kurz gesagt sind es die Stufen Zufriedenheitserfolg am Ende des Lernprozesses, Lernerfolg beispielsweise durch auf den Lerngegenstand bezogene Tests, Transfererfolg - insbesondere durch eine Beobachtung der vermittelten Fähigkeiten am Arbeitsplatz -, Geschäftserfolg wie etwa durch die Erfassung von Messgrößen, die durch den Lernprozess beeinflusst wurden und den Investitionserfolg (bspw. durch Berechnung des ROE Return on Education oder - wie ich es nenne - den ROCD (Return on Competence Development).
In der Aussagekraft oft überschätzt, ist die erste Stufe des Zufriedenheitserfolgs: Am Ende einer Maßnahme gibt es zu viele Variablen, die nichts mit dem Lernerfolg zu tun haben. Wie beispielsweise das Klima in der Lerngruppe, der "Unterhaltungswert" der Darbietung des Lernstoffes oder auch der Rahmen der Veranstaltung (Unterbringung, Bewirtung et al) an sich. Gleichzeitig ist Lernen eben ein mittel- bis langfristiger Prozess und ein diesbezügliches, spontanes Feedback wenig treffend.
Grundsätzlich empfehle ich deshalb immer "Schlafen Sie erst mal eine Nacht darüber, und geben Sie dann Feedback!". Getrieben wird dieser minimalistische Controlling-Ansatz vor allem von Trainern und Trainingsinstituten. Diese haben ja am Ende der Lernaktivität die letzte Chance, eine dokumentierte Bewertung von der Lerngruppe zu erhalten. Und dies nicht um des Lernerfolgs willen, sondern für die eigene Reputation und das Marketing.
Welche Grundlage muss eine Organisation schaffen, damit Bildungscontrolling und Lerntransfer gelingen können?
Erich R. Unkrig: Das ist einfach zu beschreiben, in der Praxis aber durchaus nicht ohne Stolpersteine umzusetzen. Ich mache das in der Regel an den folgenden fünf Aspekten fest, die ich der Anschaulichkeit halber als "Ver-/Behinderer" beschreibe:
- Hindernisse liegen im Wissen: Der strategische Gesamtzusammenhang ist unklar, keine Zielklarheit, Meilensteine sind unklar, Aufgaben im Job sind unklar.
- Hindernisse liegen im Dürfen: Freiräume zur Umsetzung des Gelernten und notwendige Ressourcen zur Aufgabenerfüllung stehen nicht zur Verfügung.
- Hindernisse liegen im Können: Wichtige Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kompetenzen und Erfahrungen fehlen.
- Hindernisse liegen im Wollen: Fehlende Präferenz, Unter- und Überforderung, mangelnde Motivation.
- Hindernisse liegen im Sollen: Fehlende Kenntnis über implizite oder explizite "Spielregeln" in der Zielgruppe oder auch im Unternehmen, fehlendes Wissen über Standards (z. B. im Qualitäts- oder Bildungsmanagement), die Unkenntnis von Unternehmensstrategien und -zielen.
Dreh- und Angelpunkt ist das starke committment der oberen Führungskräfte zu einem Controlling von überwiegend als "weich" wahrgenommenen Bildungsthemen, und die Bereitschaft, den damit einher gehenden, kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) zu unterstützen. Nach meiner Erfahrung sind es hier und da "bittere Botschaften" auch für die Führungskräfte „als Teil des Transferproblems“ (siehe oben: das DÜRFEN), die die Analyse von Transferhindernissen mit sich bringt. Und damit müssen Führungskräfte umgehen können und ggf. ihren Beitrag im Positiven wie Negativen reflektieren.
Welche Bereiche bzw. Aktivitäten müssen in eine gelungene Transfersicherung integriert werden?
Erich R. Unkrig: Es fängt bei der Planung an. Unsere amerikanischen Kollegen nennen das krass, aber treffend "Shit in - shit out!" (oder: "Garbage in – garbage out!"). Wenn also nicht die richtigen Lerninhalte mit einem angemessenen Lernmethode und der passenden Ressource (=Trainer, Coach etc.) geplant werden, was soll dann an relevantem Ergebnis oder gar Lernerfolg herauskommen?
Dann geht es um die Steuerung. Die Führungskraft sollte nicht nur über das Lernfeld informiert sein, sondern im Dialog die Bedeutung des Lernschritts deutlich machen - nur so weiß der Mitarbeiter um die Bedeutung und den erwarteten Erfolg. Dass darüber hinaus Lernort, Lernmedien, die "Lehr-Ressource" etc. gesteuert werden müssen, versteht sich von selbst. Dass man auch den Rahmen gestaltend steuern kann, findet oft wenig Beachtung. Gemeinsamer "Frühsport" als Teambuilding, ein Unternehmensvertreter als Gast beim Essen oder Kaminabend - das sind erfahrungsgemäß Dinge, die den klassischen 9 bis 17 Uhr-Lerntag durchaus beflügeln können.
Und dann die "Kontrolle" des Lernerfolgs. Sie fängt bei der Führungskraft an, die sich einfach dafür interessieren muss, was der Mitarbeiter gelernt hat und wie er/sie es in den Alltag einbringt. Dieses Interesse wird dann spätestens im jährlichen Mitarbeitergespräch in eine konkrete Bewertung ("Was hatten wir warum als Verbesserung vereinbart, und hat der Lernprozess zum heutigen Status beigetragen?") umgesetzt.
In Organisationen mit einer gelungenen Transfersicherung werden sich das Bildungsmanagement und/oder die Personalentwicklung mit dem Lernprozess und seinen Ergebnissen bzw. Erfolgen befassen: Sind qualifizierte Mitarbeiter erfolgreicher als solche, die die Maßnahme nicht durchlaufen haben? Hat diese oder jene Maßnahme einen Einfluss auf unsere "talent pipeline", auf die Laufbahn- und Karriereschritte oder die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung? Das sind Kernfragen, auf die ggf. eine Antwort gegeben werden muss.
Wie können messbare Größen und weniger greifbare Parameter miteinander verglichen werden?
Erich R. Unkrig: Messgrößen und Kennzahlen hängen immer vom konkreten Business, der Branche und dem Stand der Unternehmensentwicklung und -strategie ab. Die Antwort liegt in: Leistungsfähigkeit (performance), Leistungsbereitschaft (motivation), bevorzugter Arbeitgeber (retention).
Messungen können je nach KPI (Messgröße) über das HR Informationssystem (z. B. Quote ungeplanter Fluktuation, Nachfolgeplanung, interne Mobilität und Flexibilität etc.) analysiert werden. Darüber hinaus helfen Analysen wie bspw. Mitarbeiterbefragungen. Bei AREVA nennen wir letztere VOE (Voice of Employees) oder die sogenannten "exit interviews", die Abschlussgespräch bei ungeplanter Fluktuation, weiter. Das wichtigste Instrument ist für mich jedoch das Mitarbeitergespräch, ist es doch oft auf der einen Seite Auslöser für (Weiter-)Bildung und Kompetenzentwicklung und zugleich die kundenseitige Bewertung abgeschlossener Maßnahmen.
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