Wissenstransfer

Gelerntes in Wissen umsetzen

St.Gallen, Juni 2008 - Was tun, wenn nach umfangreichen Bildungsmaßnahmen die Anwendung des neu Gelernten ausbleibt? Oder wenn der Teilnehmer es trotz positiver Bewertung nicht schafft, das Erlernte in die Praxis zu transferieren? Wie die festgelegten Ziele der Maßnahmen in Bezug auf die Unternehmensleistung erreicht werden, erläutert Prof. Dr. Sabine Seufert, Geschäftsführerin des Kompetenzzentrums Swiss Centre for Innovations in Learning (SCIL).




Eine der häufigsten Transferbarrieren auf der Seite des Lernenden ist die zeitliche Ressource. Wenn jemand einige Tage für ein Seminar abwesend war, wartet im Büro häufig ein voller Schreibtisch auf ihn. Der Seminarteilnehmer muss zunächst abarbeiten, was liegen geblieben ist - und das Gelernte geht schnell wieder unter.

Auch mangelnde Vorbereitung ist häufig ein Grund dafür, dass Seminarinhalte nicht in der Praxis umgesetzt werden, zum Beispiel wenn Mitarbeiter den Kurs nicht bewusst auswählen und sich selbst keine Ziele stecken. Allerdings kann auch eine zu hohe Erwartungshaltung dazu führen, dass sich im Seminar statt Lernerfolg nur Frust einstellt.

Eine weitere ganz typische Transferbarriere ist die geringe Motivation der Teilnehmer, das Gelernte umzusetzen. Das kann daran liegen, dass die Teilnehmer die Lerninhalte nicht relevant genug für ihre tägliche Arbeit einschätzen - oder dass im Unternehmen Anreize für die Umsetzung der Lerninhalte fehlen.

Neben den individuellen Transferbarrieren gibt es auch strukturelle Gründe - also Gegebenheiten in den Unternehmen selbst, die den Lernerfolg mindern: Die unternehmenseigene Lernkultur oder die Art, wie im Unternehmen mit Veränderungen umgegangen wird, beeinflussen den Lerntransfer entscheidend.

Es kann sehr schwer sein, nach einem Seminar in der eigenen Abteilung dafür einzutreten, am Arbeitsplatz Veränderungen zu implementieren - etwa wenn die Kollegen eine andere Routine haben oder der Chef für Veränderungen kein offenes Ohr hat, weil er vielleicht einen Machtverlust befürchtet. Und wenn man es einmal mit einer neuen Idee versucht hat und zur Schnecke gemacht wurde, sind schnell Schwellenängste da.

Fünf Schritte zur Optimierung des Lerntransfers

  1. Lehren Sie Mitarbeiter das Lernen.

    Manche Mitarbeiter müssen Verhaltensmuster verändern, andere benötigen Hilfe für die Nutzung neuer Lerntechnologien und Wissenstools. Dies beinhaltet auch einen Wechsel von der Angebots- zur Nachfragestrategie. Wer etwas lernen soll, muss das selbst wollen und seinen Lernbedarf selbst formulieren.

    Trainings, die mit der Gießkanne über die Belegschaft verteilt werden, bleiben häufig wirkungslos. Damit einher geht eine veränderte Einstellung dem Lernen gegenüber. Unternehmen müssen von Push-Prinzipien loslassen und einen Pull-Prozess fördern, das heißt: Mehr Eigenverantwortung für die Mitarbeiter.

  2. Binden Sie Führungskräfte mitverantwortlich in Weiterbildungsmaßnahmen ein.

    Führungskräfte nehmen eine tragende Rolle als Unterstützer des Transferprozesses ein. Es genügt nicht, Mitarbeiter in Seminare zu schicken. Führungskräfte müssen die Rahmenbedingungen für das Lernen bei der Arbeit schaffen.

    Dazu gehört nicht nur, Freiräume zu gewähren, sondern auch Wertschätzung zu zeigen für das Lernen am Arbeitsplatz. Ziele, Inhalte, Methoden und Praxisrelevanz müssen im Vorfeld besprochen werden. Nach der Maßnahme muss die Führungskraft auf die Anwendung des Erlernten in der Praxis achten.

  3. Schaffen Sie die Infrastruktur für ein Lernklima.

    Dazu gehören beispielsweise flexible Zeitfenster für selbstgesteuerte Lernphasen und moderne Lern- und Informationstechnologien, um mediale und personale Ressourcen zur Unterstützung des Lernens zur Verfügung zu stellen.
  4. Entwickeln Sie Methoden weiter.

    Das Methodenangebot ist so ausdifferenziert, dass die Auswahl sich danach richten sollte, wie geeignet die Methode für einen Mitarbeiter und seinen Entwicklungsstand ist. Transferbegleitende Maßnahmen, wie zum Beispiel Learning Logs, Transfernetzwerke oder -coachings ergänzen das didaktische Methodenrepertoire im Bildungsmanagement.
  5. Messen Sie die Lerntransferergebnisse.

    Die Lernfähigkeit von Unternehmen wird an einer qualifizierten Evaluation von Lernprozessen erkennbar und überprüfbar. Das reicht von Zielvereinbarungen bis zu Transferkontrollen und Leistungsanreizen.

In der Praxis wird die Erfolgsmessung - zu sehen an den drei Best-Practice-Beispielen, die wir in unserer Benchmark-Studie näher untersucht haben: IBM, E-ON und DATEV - sehr pragmatisch gehandhabt. In der Regel werden drei Monate nach Abschluss einer Maßnahme die Teilnehmer und deren Vorgesetzten befragt. Dabei geht es nur zum Teil um das Bildungsangebot selbst. Vielmehr wird erhoben, wo die Transferschwierigkeiten am Arbeitsplatz liegen und wie man diese beseitigen kann.

Im Sinne einer kontinuierlichen Qualitätsentwicklung bleibt es nicht nur bei der Evaluation von Bildungsmaßnahmen, sondern die Ableitung von Konsequenzen und Maßnahmen aufgrund der Evaluationsergebnisse sind darüber hinaus ein elementarer Bestandteil.