Learning Analytics: Daten nicht isoliert betrachten
Wuppertal/Karlsruhe, April 2025 - Insa Bäumker ist Wirtschaftspsychologin und Instructional Designerin und hat sich darauf spezialisiert, Unternehmen dabei zu unterstützen, durchdachte Bildungskonzepte zu entwickeln, die langfristigen Erfolg sichern und die einzelnen Mitarbeitenden stärken. Im LEARNTEC Kongress spricht die Spezialistin für Bildungsplanung am 06. Mai um 16 Uhr über "Learning Analytics und Empathie: Wie Daten und emotionale Intelligenz das Lernen verbessern können".
Learning Analytics in Bezug auf Datenauswertung ist ja ein eher technischer Begriff. Wie und wo ergibt sich da eine Verbindung zu emotionaler Intelligenz, die ja eher menschlich/individuell konnotiert ist?
Insa Bäumker: Learning Analytics zeigt uns, was Lernende tun: Wann sie einsteigen, wo sie aussteigen, wie lange sie für Inhalte brauchen, welche Aufgaben schwerfallen. Aber diese Daten beantworten nicht die Frage nach dem Warum. Warum steigt jemand aus? Warum wird ein Modul trotz guter Inhalte ignoriert? Genau hier setzt emotionale Intelligenz an. Sie hilft, zwischen den Zahlen zu lesen, emotionale Muster zu erkennen und den Kontext zu verstehen, den reine Daten nicht liefern können. Wenn ich eine niedrige Abschlussquote sehe, kann ich technisch reagieren (z. B. eine Deadline setzen oder eine Verpflichtung einbauen) – oder ich kann empathisch fragen: Was denken und fühlen die Lernenden? Fühlen sie sich überfordert, nicht angesprochen, nicht gesehen?
Die Verbindung entsteht also da, wo wir uns entscheiden, Daten nicht isoliert zu betrachten, sondern mit einer empathischen Haltung zu interpretieren und zu ergänzen.
In welcher Form setzen Sie als Bildungsplanerin und Instructional Designerin auf diese Kombination?
Insa Bäumker: In meiner Arbeit verbinde ich datenbasierte Auswertung ganz bewusst mit einem empathischen Blick auf das, was Lernende tatsächlich brauchen.
Zum Beispiel integriere ich regelmäßig formative Assessments, bei denen Lernende ihre Ergebnisse gemeinsam reflektieren: Was fiel leicht? Wo gab es Hürden? Und wie empfanden sie die Lernformate selbst? Diese Gespräche liefern nicht nur Feedback zur Wirksamkeit, sondern auch wichtige emotionale Indikatoren.
Bevor neue Programme breit ausgerollt werden, arbeite ich mit Pilotgruppen, bei denen ich über qualitative Rückfragen und Gedankenprotokolle erfasse, was die Lernenden beim Durcharbeiten denken, fühlen und hinterfragen.
In einem anderen Projekt haben wir User-Testings durchgeführt, bei denen gezielt danach gefragt wurde, was genau als hilfreich oder hinderlich empfunden wurde – und warum. Auch hier zeigt sich: Die Technik liefert einen Teil der Wahrheit, aber der persönliche Blick macht sie erst brauchbar.
Finden im Rahmen einer Weiterbildung mehrere Live-Sessions statt, binde ich Freiräume ein, in denen Lernende mitteilen können, wie hilfreich das Format wirklich war – auch das fließt in die Weiterentwicklung ein.
Und bei langfristigen Weiterbildungsprogrammen, die sich über mehrere Jahre erstrecken, plane ich von Beginn an regelmäßige Austauschformate – meist quartalsweise oder halbjährlich. In diesen kleinen, geschützten Gruppen – oft mit Personen in ähnlicher Rolle und Verantwortung – geht es nicht nur um Feedback, sondern vor allem darum, veränderte Bedarfe, emotionale Dynamiken oder kulturelle Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. Das erlaubt uns, nicht nur Inhalte und Formate feinjustiert weiterzuentwickeln, sondern auch UX und Softwarelösungen gezielt an das anzupassen, was Lernende wirklich brauchen – fachlich wie emotional.
Was dabei entsteht, ist eine Verbindung aus klaren Daten und echtem Zuhören.
Und genau das sorgt dafür, dass Weiterbildung nicht nur gut gemeint ist, sondern wirklich wirksam wird.
Wo beginnt und wo endet die Zusammenführung?
Insa Bäumker: Sie beginnt beim Mindset: Wenn ich Learning Analytics nicht als reines Reporting-Tool begreife, sondern als Chance, echtes Lernen zu verstehen.
Die praktische Verbindung beginnt mit einfachen Maßnahmen – zum Beispiel, wenn ich quantitative Feedbacks um qualitative Rückfragen ergänze oder wenn ich in der Auswertung nicht nur die Performance anschaue, sondern auch das Engagement und die Zufriedenheit der Lernenden.
Sie endet nicht in einem festen Punkt, sondern ist ein Prozess: Die Zusammenführung wird dann wirksam, wenn beide Seiten sich gegenseitig beeinflussen dürfen – also wenn Technik nicht nur Daten liefert, sondern Empathie ermöglicht, und wenn Empathie wiederum hilft, die Daten sinnvoll zu deuten.
Welchen Zusatznutzen generieren Sie dadurch?
Insa Bäumker: Ich bekomme ein vollständigeres Bild – und das macht Weiterbildungsmaßnahmen wirksamer, menschlicher und nachhaltiger.
Wenn ich Daten nur als Steuerungsinstrument nutze, sehe ich kurzfristige Optimierungspotenziale. Aber wenn ich Daten mit Empathie verknüpfe, verstehe ich, was Lernende wirklich brauchen, warum bestimmte Dinge nicht funktionieren – und wie wir echte Veränderung erreichen.
Für Unternehmen bedeutet das: weniger Frust durch Formate, die an den Bedürfnissen vorbeigehen (sei es, weil Inhalte nicht relevant sind, das Format zu komplex ist oder technische Hürden Lernende ausbremsen), mehr Relevanz für den Arbeitsalltag, eine spürbar höhere Motivation bei den Lernenden und bessere Chancen, dass das Gelernte tatsächlich in der Praxis ankommt.Für Lernende bedeutet es: Sie erleben Angebote, die an ihre Realität anschließen – fachlich wie emotional. Sie merken, dass ihre Perspektive zählt, dass ihre Herausforderungen ernst genommen werden – und genau das stärkt nicht nur die Lernbereitschaft, sondern auch das Vertrauen in den Lernprozess.
Halten Sie es für möglich, dass diese Verbindung künftig zum Standard wird oder ist es einfacher und gängiger, sich ausschließlich auf die Technik zu verlassen?
Insa Bäumker: Ich bin überzeugt, dass diese Verbindung langfristig unverzichtbar wird. Technik allein ist schneller – ja. Aber sie bleibt oberflächlich, wenn sie nicht eingebettet ist in ein echtes Verständnis für die Menschen, die lernen sollen.
Die Zukunft des Lernens wird nicht rein datengetrieben oder rein menschlich sein – sondern hybrid: dateninformiert, empathisch interpretiert und menschlich gestaltet.
Organisationen, die das erkennen, schaffen Lernumgebungen, die wirklich wirken – und nicht nur in ihrer Statistik gut aussehen. Der Aufwand für diese Verbindung ist geringer, als viele denken. Aber der Effekt übertrifft das, was rein quantitative Auswertungen je leisten könnten.
Auf der LEARNTEC – Europe’s #1 in digital learning – werden vom 6. bis 8. Mai 2025 in Karlsruhe die Top-Trends, Tools und Innovationen rund um digitales Lernen vorgestellt. Und wer sich darüber hinaus für moderne Arbeitskultur, agile Methoden, New Leadership & Co. interessiert, sollte unbedingt auch auf der parallel stattfindenden NEW WORK EVOLUTION vorbeischauen. Jetzt ein Freiticket sichern!