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KI trifft Prüfungsvorbereitung in der Versicherungsbranche

Thomas FlumGregor EngelmeierBerlin, November 2023 - Seit Anfang des Jahres haben sich Thomas Flum und Gregor Engelmeier von der equeo GmbH mit der ABC Vertriebsberatung zusammengetan und in ihrem neuen Bereich "Coaching Applikations" ganz auf den Einsatz von KI Systemen wie ChatGPT gesetzt. Thomas Flum ist der Geschäftsführer der equeo GmbH. Gregor Engelmeier ist für die Entwicklung von neuen Produktformaten zuständig.

Hallo Herr Flum, Sie sind ja schon ein "alter Hase" in der eLearning Szene. Nun setzt ihre Firma ganz auf "KI" im eLearning und sie benutzen dazu Systeme wie ChatGPT. Folgen Sie dabei einfach nur einem Trend?

Thomas Flum: Das glaube ich ganz und gar nicht! Wer so lange im Bereich eLearning unterwegs ist wie ich, hat schon viele Trends und Schlagworte kommen und gehen sehen: "individuelle Lernpfade", "immersive Learning", "Gamification", "Microlearning", "Blended Learning" ... - alles zu ihrer Zeit sehr wichtige Themen, aber beim Einsatz von KI reden wir doch von etwas ganz anderem: Large Language Models - wie sie jetzt allgemein verfügbar werden (z.B. ChatGPT) - öffnen uns den Weg in einen echten Dialog mit den Nutzern.
Die wesentlich Innovation in LLM's ist ja nicht, dass man sie als Google-Ersatz benutzt oder damit schneller Content erstellen kann (was sicher ein angenehmer Seiteneffekt ist) - das wirkliche Innovationspotential zeigt sich erst, wenn man sie benutzt, um dem eLearning mit ihrer Hilfe die Kommunikation in natürlicher Sprache zu erschließen.

Was hat das mit Ihrer Übernahme der Lösungen der ABC-Vertriebsberatung zu tun? Die Firma war doch auf klassische Lernprogramme im Bereich der Erstausbildung im Versicherungswesen fokussiert.

Thomas Flum: Ganz genau - das macht sie auch weiter! Der erste Grund, warum diese Akquise für uns zu diesem Zeitpunkt so wichtig war, ist, dass wir damit einen großen und qualitativ hochwertigen Fundus von Inhalten in einem spezialisierten Bereich erworben haben.
Der zweite Grund war, dass uns das in den Übungsfragensammlungen der ABC implizit abgelegte Fachwissen dazu dient, dialogische Apps (wir nennen sie "Coaches") zu erstellen, die verlässlich qualitätsgesichertes  Wissen präsentieren, bei seiner Einübung helfen und so den Lerner sanft zu seiner Prüfung führen.

Die Inhalte der ABC sind sozusagen unser Erprobungsfeld.

Wie müssen wir uns das vorstellen, Herr Engelmeier? Sie schreiben einfach ein paar Prompts und verkaufen das Ergebnis dann teuer als Ihr Produkt?

Gregor Engelmeier (lacht): Schön wär's! Nein - die Herausforderung besteht darin, LLMs zunächst zu trainieren, geeignete Embeddings zu erstellen und zu erproben und sie dann dazu zu bringen, einen sinnvollen Schulungsdialog zu führen und nicht aus dem Thema "auszubrechen". Unser Job ist es sozusagen, die manchmal wild vor sich hin halluzinierende KI zu zügeln.

Und? Klappt das?

Gregor Engelmeier: Ja, sehr gut! Wir sind im Moment dabei eine ganz neue KI-basierte Softwarebasis zu erstellen. Dabei ist unser Motto: "Dialog First". Die führende Form der Interaktion der Nutzer mit den Themen ist der Dialog. Auf den ersten Blick wird die App aussehen wie eine normale Chat App, die die User aus ihrem Alltag kennen.
Klassische Interaktionsformen (denken sie beispielsweise an Quizfragen) werden entweder inhaltlich in die Dialoge integriert oder stehen in einem Sekundärbereich des User-Interfaces zur Verfügung. Dort machen wir beispielsweise auch die Rechtsgrundlagen oder Auszüge aus den Proximusbedingungen, die zur Frage gehören zugänglich.

Da muss ich einmal unterbrechen: Ist das nicht einfach alter Wein in neuen Schläuchen?
Gregor Engelmeier: Da die KI mit diesen Materialien trainiert wurde, kann sie nun zu jeder Frage differenziertes inhaltliches Feedback geben. Der User kann also plötzlich "Warum?" -Fragen stellen und auch beatwortet bekommen. Damit sind wir weit jenseits der üblichen Auswendiglernmaschine Quiz angekommen und nähren uns in der Bloomschen Taxonomie der pädagogischen Ziele endlich dem Level des "Verstehens".

Das hört sich ja alles sehr gut an. Aber wie stellen Sie sich das mit dem Datenschutz vor?

Gregor Engelmeier: Da wir niemals personenbezogene, sondern ausschließlich fachliche Daten und Texte an die KI schicken, können alle personenbezogenen Daten bei uns auf dem Server bleiben. Die Datenschutzfrage stellt sich daher nicht anders dar als bei unseren klassischen Anwendungen.

Haben Sie schon Anwender?

Thomas Flum: Ganz so schnell geht es nicht: Wir haben Grundlagen gelegt und sind mit Hochdruck dabei erste pilotierungsfähige Apps zu erstellen. Allerdings sprechen wir fast jede Woche mit Vertretern aus der Branche, die sehr interessiert daran sind, diesen Weg mit uns auszuprobieren.

Wohin soll Sie dieser Weg führen?

Thomas Flum: Unsere Ambitionen gehen so weit, eine Coachingplattform zu schaffen, mit der wir  Apps erzeugen können, die sich in den verschiedensten Bereichen wie "Coaches" verhalten.  Coaching verstehen wir als einen strukturierten, zielorientierten Dialog mit dem Zweck den Coachee dabei zu unterstützen, Ziele zu definieren und zu erreichen, neue Perspektiven zu gewinnen, Kompetenzen zu entwickeln und so Probleme zu lösen.
Das formelle "Lehren" - wie etwa bei der Prüfungsvorbereitung - ist nur ein Gebiet, in dem digitales Coachingeingesetzte werden kann.
Unsere Firmentochter equeo Health zum Beispiel entwickelt Coaching-Dialoge für Schichtarbeitende, die dabei unterstützen, diese besonders belastende Arbeitsform besser in ihr Leben zu integrieren. Auch hier das Interesse - gerade der Krankenkassen - groß.