Branchenportale als Lernlösung für den Mittelstand?
Essen/Karlsruhe, Januar 2010 - Branchenportale könnten die kommende Lernlösung sein! Zumindest für all jene, die in mittelständisch geprägten Wirtschaftsbereichen über nur geringe betriebliche Mittel verfügen und dennoch sowohl an eLearning- als auch an Web 2.0-Lösungen partizipieren möchten. Auf der LEARNTEC 2010 stellen Dr. Lutz Görtz, Thomas Hagenhofer und Dr. Anne König am Beispiel des Portals "Mediencommunity" vielversprechende Branchenkonzepte vor.
Sie haben kürzlich "Mediencommunity" als neues Branchenportal für den Bereich Druck- und Medienwirtschaft vorgestellt. Worin liegt Ihrer Ansicht nach der besondere Vorteil eines Branchenportals?
Dr. Lutz Görtz: Vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) können sich oft keine eigenen eLearning-Plattformen und -Inhalte leisten. Dies gilt insbesondere für die Druck- und Medienbranche, mit der wir uns im Projekt "mediencommunity 2.0" beschäftigen. Deshalb ist es sinnvoll, als Lernressourcenpool und als Kommunikationsplattform ein unabhängiges Branchenportal aufzubauen.
In anderen Branchen gibt es sie bereits:
- www.unitracc.de - grafisch gut aufbereitete Lernressourcen für den Kanal- und Rohrleitungsbau (kostenpflichtig).
- www.nwb.de - umfangreiche redaktionell bearbeitete Datenbank für Steuerberater (kostenpflichtig).
- www.sekretaria.de - eine kostenlose Online-Community, in denen Sekretärinnen Forenbeiträge schreiben bzw. beantworten. Auf diese Weise ist den letzten Jahren eine umfangreiche Wissensressource entstanden, die (kostenpflichtig) durch weitere Premium-Dienste ergänzt wird.
- www.lehrer-online.de - ein kostenloser Dienst der lo-net GmbH, der zahlreiche Materialien zur Unterrichtsvorbereitung für Lehrer aller Schultypen enthält. "lo-net²" bietet zusätzliche für alle registrierten Teilnehmer die Möglichkeit, eigene virtuelle Klassenräume einzurichten.
Der Vorteil eines Portals im Sinne von eLearning 2.0 besteht darin, dass sich alle an der Gestaltung des Portals beteiligen können. So entsteht eine Plattform, die sich die Branche wünscht.
Branchenportale erheben zumeist den Anspruch das Lebenslange Lernen zu unterstützen. Fördern sie damit die Eigeninitiative und Selbstlernkompetenz der Berufstätigen - im Sinne der Unternehmen - oder wird dadurch die berufliche Weiterbildung mehr und mehr zur Sache des Einzelnen?
Dr. Lutz Görtz: Natürlich kann jedes Unternehmen das Portal auch für eigene Lern-Aktivitäten nutzen, z. B. als geschlossene Lerngruppe. Dann liegt das Lernen auf jeden Fall in der Hand des Betriebs. Und wenn das Unternehmen möchte, profitieren auch andere davon, z.B. durch Einträge in ein öffentliches Wiki-Lexikon.
Wir sehen aber auch eine Chance darin, dass jeder Einzelne sich dort um seine Lernfortschritte kümmert, wo ein Unternehmen keinen finanziellen oder zeitlichen Spielraum für die Weiterbildung sieht. Ein "Abschieben" der Verantwortung sehen wir hier nicht.
Unternehmen spornen die Nutzung von eLearning-Kursen durch internes Marketing an. Wie erreichen die Angebote eines Branchenportals ihr Klientel und die erforderliche Akzeptanz?
Dr. Lutz Görtz: Zum einen setzen wir dort an, wo der "Leidensdruck" der Lerner besonders groß ist, z.B. bei der Vorbereitung auf Prüfungen. Hier haben wir für Mediengestalter und Drucker ein "Prüfungsvorbereitungs-Wiki" ins Leben gerufen, das im Monat vor den IHK-Prüfungen von Auszubildenden stark nachgefragt wird.
Wir sind uns aber auch bewusst, dass es schwer ist, Lerner mit der mediencommunity zu erreichen, die nicht ständig vor dem Computer sitzen, z.B. Drucker oder Buchbinder. Deshalb müssen wir die Leute dort abholen wo sie stehen - in den Unternehmen und in den Berufsschulklassen. Dort besuchen wir sie und schauen auch, welche Lernbedarfe sie haben und wie sie schon jetzt den Computer privat und zum Arbeiten nutzen.
Welche Rolle spielen die Web 2.0-Funktionen beim Lernen mittels eines Branchenportals? Gibt es hierzu bereits Erfahrungswerte speziell von Branchenportalen?
Dr. Lutz Görtz: Web-2.0-Portale bieten natürlich einen viel größeren Spielraum für die Lernbedürfnisse des Einzelnen. Jeder kann sich die Funktionen zum Lernen aussuchen, die er oder sie bevorzugt, seien es eigene Lerngruppen, Communities of Practice, Wikis oder zum Verwalten der eigenen Lernergebnisse sog. ePortfolios. Auch ist die Chance bei einem Web 2.0-Portal größer, gleichgesinnte Lerner oder erfahrene Experten zu treffen, als wenn man einen Blended-Learning-Kurs bucht.
Trotzdem geht der Weg zum Portal für aktive Nutzer über die klassischen Funktionen von Web 1.0. Manchmal will ein Nutzer einfach nur gezielt Informationen abrufen und nicht mit anderen kommunizieren oder eigene Lexikon-Beiträge anlegen. Dann ist es gut, wenn man als Portal einen solchen Wissenspool anbieten kann. Die "mediencommunity" hat hierfür entsprechende Lexika, eine interaktive Bildungslandkarte mit allen deutschen Bildungsinstitutionen der Branche sowie Bewerbungstipps.
Vortrag im Rahmen des Bildungsforums der LEARNTEC zum Thema "Weiterbildung und Lebenslanges Lernen" am 3.2.2010, von 10 bis 13.45 Uhr.
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