"Eine Frage der Kommunikation"
Freiburg, September 2018 - Ob Schule den digitalen Wandel schafft, ist vor allem eine Frage der Kommunikation, findet Dejan Mihajlovic, Lehrer und Digitalisierungsverfechter aus Baden-Württemberg. Und das Fragen liegt ihm besonders am Herzen: "Fragen laden zum Austausch ein und bieten Freiraum und Orientierung zugleich. Fragen sind meiner Meinung nach eine Antwort auf die digitale Transformation."
Warum tut sich die Schule mit dem Digitalzeitalter so schwer?
Dejan Mihajlovic: Das Schulsystem beruht auf einer klaren Zuordnung und Einteilung von Aufgaben und Ressourcen. Deshalb ist und bleibt es wahrscheinlich eine der größten Herausforderungen im digitalen Wandel, für etwas Ressourcen zu ermöglichen, das man weder klar zuordnen noch einteilen kann. Das gilt insbesondere für die Kommunikation, die sich gesamtgesellschaftlich nicht nur wandelt, sondern einen wesentlichen Beitrag zum Wandel leistet.
Wo im System Schule werden Sie besonders häufig mit Fragen der Digitalisierung konfrontiert?
Dejan Mihajlovic: Die Zielformulierung, Kinder müssen lernen, respektvoll im Netz miteinander umzugehen, begegnet mir immer wieder. Entweder in Elternrunden oder in Debatten unter Lehrenden. Dabei geht es um Fragen einer veränderten Kommunikation. Diese Forderung ist bis auf "im Netz" in Schulen und unter Eltern wiederkehrend. Die Formulierung verdeutlicht dabei die Vorstellung, die bisherige Kommunikation sei nur um einen weiteren Kanal ergänzt worden – quasi als Add-on. Dementsprechend fallen die Lösungsansätze aus.
Bei meiner letzten Diskussion zum Thema wurde der Vorschlag gemacht, eine Liste mit den zehn wichtigsten Regeln zu verfassen, wie man sich bei WhatsApp, Instagram oder Snapchat zu verhalten habe. Damit wird nicht nur der Fokus auf die Technik bzw. auf Apps und soziale Netzwerke gerichtet und sondern auch versucht, ein neues und unbekanntes Problem mit alten Strategien zu lösen.
Wie erklären Sie sich diesen Reflex?
Dejan Mihajlovic: Weil die Fragen der veränderten Kommunikation keinem Fach zuordnen sind, greift man nach dem nächst bekannten schulischen Instrument: Einem Regelwerk. Verbreitet ist auch, auf außerschulische Expertise zu setzen und die örtliche Polizei einzuladen, die in der Regel auf die Gefahren und rechtlichen Aspekte verweist, jährlich eine in der Nähe stattfindende Veranstaltung von klicksafe.de zu besuchen oder Eltern und Kollegien einen Vortrag fachkundiger Personen anzubieten. Das kann natürlich ein sinnvoller erster Schritt sein, sich der Thematik zu nähern.
Meiner Erfahrung nach endet hier leider oft der beschrittene Weg; auch aufgrund der Fragen "Wie?", "Welche Lehrenden?" und "In welchem Fach und Umfang?", die ich kurz mit anhand von Fragen diskutieren, alle und möglichst oft beantworten würde.
Wie sieht eine aus Ihrer Sicht sinnvolle Näherung also aus?
Dejan Mihajlovic: Die sich wandelnde Kommunikation sollte differenziert und wertfrei betrachtet und nicht auf ein Sammelbecken für persönlich Lästiges, Unbekanntes oder Horror-Geschichten reduziert werden. Den bereits formulierten Weg, gemeinsam einen schulischen Konsens zu erarbeiten, halte ich für günstig. Nur würde ich nicht allgemeine Regeln, sondern offene Fragen als Ziel definieren. Fragen, die immer wieder jeder für sich selbst oder in Gruppierungen diskutiert, sind
- Wie kommuniziere ich und wie kommunizieren wir?
- Was ist mir und was ist uns bei der Kommunikation wichtig?
- Was kann ich und was können wir mit den heutigen Kommunikationsmöglichkeiten erreichen?
Allein diese Fragen eröffnen die Möglichkeit, das eigene Handeln auf sich bezogen und in der Gemeinschaft zu reflektieren, Werte zu diskutieren und Normen auszuhandeln. Mit den ersten beiden Fragen lassen sich alle im schulischen Alltag anfallenden Themen aus dem Bereich der Kommunikation von jeder Lehrperson jederzeit aufgreifen.
Die dritte Frage erfordert nicht zwingend Erfahrung, aber zumindest Kenntnisse, um neben den - im Bildungsbereich immer noch größten Raum einnehmenden - Gefahren, Problemen oder Risiken auch die Potenziale der veränderten Kommunikation zu diskutieren. (Diese Vorgehensweise empfehle ich übrigens auch allen Eltern.) Fragen laden zum Austausch ein und bieten Freiraum und Orientierung zugleich. Fragen sind meiner Meinung nach eine Antwort auf die digitale Transformation.
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