didacta 2021

"Wir müssen Technik und Pädagogik zusammendenken"

Dr. Thomas  Riecke-BauleckeStuttgart, April 2021 - Dr. Thomas  Riecke-Baulecke leitet das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg, das für die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften im Land zuständig ist. Im Interview spricht er über die Auswirkungen der Pandemie auf die Lehrerbildung und über die Frage "Welche Qualifikationen benötigen Lehrkräfte in der Pandemie".

Welche Rolle spielt die Lehrerbildung für die Qualität des Unterrichts?
Dr. Thomas Riecke-Baulecke: Wir wissen, dass die Lehrerausbildung eine zentrale Rolle spielt. Es kommt vor allem darauf an, im Unterricht herausfordernde Aufgaben für die kognitive Aktivierung zu stellen, den Schülerinnen und Schülern konstruktives Feedback zu geben und die Klasse gut zu führen. Das sind die drei großen Basisdimensionen, die wir in der Lehrerbildung immer wieder thematisieren.

Welche Anpassungen hat es in der Lehrerbildung seit dem Beginn der Pandemie gegeben?
Dr. Thomas Riecke-Baulecke: Seit März 2020 haben wir gelernt, die Lehrerbildung digital durchzuführen, egal ob es um Fragestellungen der Kommunikation, des Feedbackgebens oder des Experimentierens im Fach Chemie geht. Ich gehe davon aus, dass die Lehrerbildung die Chancen der digitalen Transformation nicht wieder vergessen wird. Wir haben Teilnehmerzahlen in digitalen Veranstaltungen, die sonst gar nicht möglich wären. Die Kombination von asynchronem und synchronem eLearning, mit Selbstlernphasen und Kollaborationen über das Land hinweg ist viel einfacher geworden. Das sollten wir beibehalten und natürlich auch mit Präsenzveranstaltungen mischen.

Inwieweit konnten Sie am Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung die Lehrkräfte in der Pandemie unterstützen?
Dr. Thomas Riecke-Baulecke: In digitalen Formaten haben Lehrkräfte zum Beispiel erfahren, wie sie Moodle und Big Blue Button nutzen und darüber individuelles Feedback geben können. Inzwischen arbeiten 650.000 Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler landesweit damit. Es gibt umfassende Fortbildungsmaßnahmen zur Nutzung von Technik, aber auch zu deren pädagogisch sinnvollem Einsatz. Die neue Erkenntnis ist, dass wir die Fortbildung auf beide Aspekte fokussieren müssen.
Eine ganz zentrale Herausforderung bei digitalen Medien ist es, diese nicht als Einbahnstraße zu verstehen. Sie eröffnen eine Vielzahl interaktiver Möglichkeiten, bei denen Schülerinnen und Schüler gemeinsam Projekte erarbeiten, Präsentationen durchführen und sich über Aufgabenstellungen austauschen. Guter Unterricht in digitaler Form muss immer dialogorientiert und interaktiv sein.

Was muss der Lehrer der Zukunft, nach der Pandemie, mitbringen?
Dr. Thomas Riecke-Baulecke: Das Fundament einer guten Lehrerin, eines guten Lehrers bleibt das fachliche Wissen, kombiniert mit einer guten pädagogisch-psychologischen Kenntnis. Die technischen Kompetenzen müssen hinzukommen. Lehrkräfte sollten in der Nutzung digitaler Medien Vorbilder sein. Eine kritische Haltung setzt voraus, sich auszukennen, zu wissen, was soziale Netzwerke und Lernplattformen sind und wie man mit diesen arbeiten kann. Wir müssen Technik und Pädagogik zusammendenken. Wer heute die technischen Kompetenzen nicht hat, kann nicht mitsprechen. Deswegen sind Lehrerinnen und Lehrer gut beraten, sich in diesen Technologien auszukennen und sich damit zu beschäftigen, welche Entwicklungen bevorstehen.

Würden Sie sagen, dass auch Flexibilität gefordert ist?
Dr. Thomas Riecke-Baulecke: Ja, das ist völlig richtig. Da müssen wir unseren Lehrerinnen und Lehrern ein großes Kompliment aussprechen. Sie standen in den letzten zwölf Monaten vor riesigen Herausforderungen. Das gilt insbesondere für die Schulleiterinnen und Schulleiter, die kurzfristig auf Entwicklungen reagieren mussten. Was die Schulgemeinschaft insgesamt geleistet hat, ist wirklich erstaunlich und bewundernswert.