Mobile Work und Anwesenheit im Büro schließen sich nicht aus
Mannheim, Juni 2016 - Wer von mobiler Arbeit spricht, denkt meist an Bürojobs und Wissensarbeit. Doch die Einsatzszenarien sind weit umfangreicher. Mobiles Arbeiten wird für weite Teile der Belegschaften Normalität. Schon heute sind etwas mehr als die Hälfte aller Mitarbeiter mobil tätig. Laut dem Abschlussbericht der Studie "Mobiles Arbeiten", der nun vorliegt, hat dies Vor- und Nachteile – für Arbeitgeber und Beschäftigte.
Ärzte führen Besprechungen am Patientenbett mithilfe von Tablets durch, Piloten tragen einen "elektronischen Pilotenkoffer" mit sich herum und die Maschinensteuerung in der Fabrik erfolgt inzwischen oft mobil. Auch im Handwerk ist das Outdoor-Smartphone gang und gäbe. Bereits mehr als die Hälfte der Beschäftigten sind vorwiegend oder sogar ausschließlich mobil an wechselnden Arbeitsplätzen tätig. Größtenteils gehen sie innerhalb und außerhalb des Unternehmens an wechselnden Arbeitsplätzen der mobilen Tätigkeit nach, so ein zentrales Ergebnis der Studie "Mobiles Arbeiten".
Mobile Worker sind oft im eigenen Betrieb unterwegs
Laut den Studienautoren von Messeveranstalter spring Messe Management, der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin), der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) sowie dem Büro für Arbeits- und Organisationspsychologie (bao GmbH) ist die Vorstellung, dass Mobile Worker hauptsächlich unterwegs, im Café oder im Park arbeiten, bislang nicht das vorwiegende Szenario. Auch Homeoffice sei nur ein Teil dessen, was mobiles Arbeiten heute ausmache. "Arbeitnehmer sind dort tätig, wo sie gerade aufgrund von Terminen, aktuellen Teamzusammensetzungen oder ihrer Work-Life-Balance sein müssen – also sehr häufig auch an wechselnden Orten im eigenen Betrieb", so Prof. Dr. Jochen Prümper von der HTW Berlin.
Mobile Arbeit ist Segen und Fluch zugleich
Die Arbeitssituationen und ergonomischen Rahmenbedingungen IT-gestützter, mobiler Arbeit sind der Studie zufolge in mancher Hinsicht sogar besser als bei stationärer Arbeit. Mobile Worker profitieren demnach insbesondere von der Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit. Mehr als die Hälfte der Befragten sehen bessere oder viel bessere Gestaltungsmöglichkeiten.
"Mobile Arbeitsplätze bieten viele neue Möglichkeiten für Beschäftigte, ihre Aufgaben und Tätigkeiten flexibler zu erledigen. Deswegen ist vor allem wichtig, dass die Beschäftigten lernen, mit diesen neuen Freiheiten umzugehen", ist Ralf Hocke, Geschäftsführer von spring Messe Management, überzeugt. Doch gleichzeitig kann ein mobiles Arbeitsumfeld auch Nachteile für Arbeitnehmer haben. "Da Mobile Worker häufig ihren Arbeitsort verlagern, sind sie wechselnden physikalischen Faktoren wie Licht, Temperatur und Klima ausgesetzt. Wählen sie ungewöhnliche Arbeitsorte, erfüllt das Mobiliar bisweilen nicht die Ergonomie-Standards", so Prof. Prümper. Hinzu kämen oft ein ablenkendes Umfeld und unvorhersehbare akustische Störquellen. Sehr viele Mobile Worker berichteten über psychische Symptome wie Anspannung, vorzeitige Müdigkeit, Konzentrationsstörungen oder gesteigerte Reizbarkeit.
Gefährdungsbeurteilung: KMU tun sich am schwersten
Ein entsprechender Gesundheitsschutz – das zeigt die Studie ebenfalls – ist eine offene Flanke. Für mobile IT-Arbeitsplätze haben bisher die wenigsten Unternehmen eine Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 Arbeitsschutzgesetz vorgenommen. Drei Viertel der Betriebe führen diese nur teilweise oder gar nicht durch. Besonders große Versäumnisse räumen die Befragten in Bezug auf die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung durch mobile Arbeit ein.
Während eine Mehrheit der sehr großen Unternehmen (≥ 3000 Beschäftigte) Gefährdungsbeurteilungen ihrer Arbeitsplätze im Allgemeinen voll und ganz durchgeführt hat (62,4 Prozent), nimmt diese Zahl bei den kleineren Unternehmen sukzessive ab. An mobilen IT-Arbeitsplätzen schneiden Organisationen aller Größen schlecht ab, doch auch hier zeigt sich eine Differenzierung. Sehr große Unternehmen haben nur zu 37,6 Prozent Gefährdungsbeurteilungen speziell für ihre mobilen Bildschirmarbeitsplätze durchgeführt, große zu 24,5 Prozent, sehr kleine zu 29,3 Prozent, kleine zu 20,3 Prozent und mittlere zu 15,5 Prozent. Demnach tun sich kleine und mittlere Unternehmen bei diesem Thema am schwersten.
"An stationären Bildschirmarbeitsplätzen müssen die Unternehmen für die Gefährdungsbeurteilung im einfachsten Fall lediglich eine einzige Arbeitsstätte einer Beurteilung unterziehen. Bei mobiler Bildschirmarbeit hingegen gibt es nicht den festen Arbeitsort, nicht den einen Nutzungskontext", erklärt Prof. Prümper ein Problem der Arbeitgeber. Da Unternehmen die mobilen Systeme in dynamischen Umwelten beurteilen müssten, seien viel kleinteiligere Untersuchungen der möglichen negativen Auswirkungen in verschiedensten Arbeitssituationen nötig.
Fit für Mobile Work? Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung skeptischer
Durch mobiles Arbeiten entwickeln sich Arbeitszufriedenheit, Arbeitsleistung und die Arbeitsqualität der Beschäftigten laut den Befragten aller Hierarchieebenen positiv. Aus Sicht der Studienteilnehmer sind Führungskräfte, Beschäftigte und die gesamte Organisation gut für die Anforderungen IT-gestützter, mobiler Arbeitsformen gerüstet. Doch Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung sind diesbezüglich meist nicht so optimistisch. Die Befragten sind sich auch noch nicht einig, welchen Einfluss die mobile IT auf das Arbeitssystem hat. Während viele die Entwicklung bei Arbeitszeit, -tätigkeiten, -aufgaben und -organisation positiv sehen, ist die Lage in puncto Arbeitsumgebung, -raum, -platz und -mittel eher kritisch. Insbesondere bezüglich der Hard- und Software legt die Studie nahe, dass sich gängige Office-Applikationen für manche Geräte wie Smartphone und Tablets noch nicht eignen und vielfach noch mit Laptops operiert wird.
"Unternehmen und Beschäftigte werden von einer gestiegenen Arbeitszufriedenheit profitieren", folgert Katharina Heuer Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP). Zukünftig seien kaum noch Berufe vorstellbar, in denen die Mobilität nicht Einzug halte. "Aber, und auch das ist Teil der Realität, mobiles Arbeiten hat seine Grenzen und birgt Konfliktpotential: Wer kann, darf und möchte mobil arbeiten, wer nicht? Dies auszuhandeln wird und ist Aufgabe des Personalmanagements."
Über die Studie "Mobiles Arbeiten"
An der Befragung zur Studie "Mobiles Arbeiten" nahmen im März und April 2016 insgesamt 674 Unternehmensvertreter teil. Alle Branchen waren vertreten, die meisten Teilnehmer sind jedoch für Betriebe tätig, die sich auf die "Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen" (33,7 Prozent) spezialisiert haben. 16,3 Prozent der Befragten arbeiten für Kleinstbetriebe (≤ 9 Beschäftigte), 15,5 Prozent für Kleinbetriebe (10-49 Beschäftigte), 28 Prozent für Mittlere Unternehmen (50-499 Beschäftigte), 20,4 Prozent für Großbetriebe (500-2999 Beschäftigte) und 19,9 Prozent für sehr große Unternehmen (≥ 3000 Beschäftigte). 57,4 Prozent waren Führungskräfte (mit Budget- und/oder Personalverantwortung). 19 Prozent der Befragten kommen aus dem Management (Unternehmensleitung, Geschäftsführung), 38 Prozent der Befragten waren Abteilungszugehörige mit und 42,6 Prozent ohne Führungsfunktion. Auf die Frage nach dem Unternehmensstandort gaben 91,5 Prozent der Befragten Deutschland und 7,4 Prozent Österreich an (1,1 Prozent sonstige Länder).
Das Projekt entstand auf Initiative des Messeveranstalters spring Messe Management. Als Projektpartner für die Durchführung und wissenschaftliche Auswertung kamen die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin), die Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) sowie das Büro für Arbeits- und Organisationspsychologie (bao GmbH) hinzu.
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