Am Arbeitsplatz lernen in in Kooperation mit Experten
St. Augustin, März 2015 - Die Aus- und Weiterbildung in Unternehmen wird durch Industrie 4.0-Konzepte und sich damit wandelnde Arbeitsprozesse massiv verändert. Mitarbeiter müssen auf die Veränderungen eingestellt und entsprechend geschult werden. Im Fokus steht dabei die Entwicklung und Steigerung von in kreativen und sozialen Fähigkeiten Bereichen, sagen Prof. Dr. Wolfgang Prinz und Dr.-Ing. Martin Wolpers von Fraunhofer Institut für Angewandte Informationstechnik FIT in Sankt Augustin. Sie haben im Hinblick auf das Unternehmen 2.0 im Projekt "Expedition Unternehmen" erste Ansätze erarbeitet.
Inwiefern wird Industrie 4.0 Einfluss auf die Formen des eLearning von morgen nehmen?
Prof. Wolfgang Prinz: ELearning wird zum zentralen Element der beruflichen Aus- und Weiterbildung, da mithilfe neuer Lehr-/Lernkonzeptionen (zum Beispiel tutorielles Lernen, Mentor Ansätze- individueller Betreuung, Lernen in virtuellen Gruppen, etc.) die Mitarbeiter unmittelbar am Arbeitsplatz während der Arbeit ausgebildet werden können. Mithilfe neuer Technologien wie SmartGlasses, Personalisiertem Lernmaterialien und -prozessen, Kooperationstechnologien und ähnlichem wird die Ausbildung direkt im Arbeitsprozess möglich, so dass neues "Wissen" direkt am Arbeitsplatz in die Tat umgesetzt werden kann.
Was wird sich am drastischsten ändern?
Dr. Martin Wolpers: Die größte Änderung verbunden mit den meisten Herausforderungen wird die Tatsache sein, dass am Arbeitsplatz und in Kooperation mit lokalen oder entfernt arbeitenden Experten gelernt werden wird. Neben allen damit verbundenen technologischen Problemen werden insbesondere die eher der Organisation geschuldeten Veränderungen (Datenschutz, Arbeitsorganisation, Kooperation der Mitarbeiter Entlohnungssysteme) zu Umstrukturierungen der Organisation bis in die oberen Managementebenen hinein führen.
In welchen Zeithorizonten müssen wir hier denken?
Prof. Wolfgang Prinz: Wie bei allen großen Umbrüchen in der Gesellschaft wird auch dieser seine Zeit brauchen, um vollständig integriert und angenommen worden zu sein. Auf Basis der Erfahrung mit den industriellen "Revolutionen" 1 bis 3 gehen wir von einem Zeithorizont von 15 bis 20 Jahren aus, bevor alle Änderungen vollständig in der industriellen Gesellschaft aufgenommen und abgearbeitet wurden.
Wen werden dieser Veränderungen besonders treffen?
Dr. Martin Wolpers: Der Einfluss der unter dem Begriff Industrie 4.0 summativ beschriebenen Konzepte wird für die gesamte Arbeitswelt diverse Umbrüche mit sich bringen. Dies betrifft sowohl die direkt betroffenen Arbeitnehmer in den Produktionsprozessen als auch deren administrativer Überbau, das Projektmanagement, etc. Die Gründe sind vielfältig, leiten sich aber aus der Tatsache ab, dass der normale Arbeiter im produktiven Prozess weniger gebraucht werden wird. Stattdessen werden Arbeitnehmer für die Wartung der Maschinen und Prozesse sowie der Behebung der in der Produktion auftretenden Probleme eingesetzt.
Wie könnten veränderte Formen von eLearning in diesem Kontext aussehen? Welche Beispiele gibt es heute schon?
Dr. Martin Wolpers: Ein Beispiel ist das kooperative Lernen, bei dem in zum Teil virtuellen Gruppen der Lernprozess durch Tutoren/Mentoren direkt am Arbeitsplatz geleitet wird, wie wir es im ROLE Projekt demonstriert haben. Solche und ähnliche Beispiele gibt es in diversen Versuchsstadien beispielsweise bereits heute bei der Festo AG, der LearningFactory.lu und Volkswagen.
Ein weiteres konkretes Beispiel ist der Einsatz von SmartGlasses am Arbeitsplatz zur Weiterbildung und Kooperation mit verteilt arbeitenden Experten. Dies wird beispielsweise in der Fertigung und besonders der Wartung von Hubschraubern in England durchgeführt.
Außerdem bauen die großen Forschungseinrichtungen der angewandten Forschung in Deutschland experimentelle Fabriken auf, in denen die Technologien und Konzepte der Industrie 4.0 Revolution behandelt werden, bspw. das E3-Leitprojekt der Fraunhofer Gesellschaft.
Wer wird die Veränderungen des eLearning vorantreiben? Von wem gehen maßgebliche Impulse aus?
Prof. Wolfgang Prinz: Neben den üblichen Treibern der Politik, siehe beispielsweise die Aufrufe für Projektanträge im Bereich der Aus- und Weiterbildung des BMBF sowie die Aktivitäten der Politik im Bereich der Industrie 4.0 (siehe CeBIT und andere) zeigt sich immer mehr, dass die großen internationalen Unternehmen den Ausbildungsdruck ihrer Mitarbeiterschaft spüren und entsprechende Erfüllungswünsche stellen. Da diese nicht mit herkömmlichen Methoden zu beantworten sind, werden neue Konzepte der Aus- und Weiterbildung entwickelt werden müssen. So werden, wie oben angedeutet, neue Skills und Kompetenzen von den Mitarbeitern gefordert, die zunächst noch präzise ermittelt und dann entsprechend beantwortet werden müssen. Ersten Forschungsarbeiten zum Beispiel im OpenScout Projekt bieten eine Basis zur Adressierung dieser Fragestellungen.
Maßgebliche Impulse sind wie gesagt auch aus von den großen internationalen Firmen im Zusammenspiel mit der Politik zu erwarten, was zur entsprechenden Förderung von Forschungs- und Leuchtturmprojekten führen wird. Außerdem wurden bereits seit einigen Jahren Forschungsarbeiten in diesem Rahmen durchgeführt wie das von uns koordinierte ROLE Projekt, die erste Lösungsansätze und –möglichkeiten aufzeigen. Auf dieser Basis und getrieben durch den nachweislichen Erfolg der Maßnahmen werden zunächst die großen, später dann die mittelständischen Unternehmen auf die Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen aufspringen.
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