Digitales Lernen in Unternehmen ist das "New Normal"
München, Februar 2021 - (von Wolfgang Hanfstein und Simon Hauzenberger, Pink University) In einem Jahr hat COVID praktisch keinen Aspekt des Lebens unberührt gelassen. Neben vielen anderen Dingen hat es die Digitalisierung vorangetrieben und eine neue Normalität geschaffen, die Lerngewohnheiten nachhaltig verändern wird. Die Nachfrage nach Lernangeboten hat drastisch zugenommen. Präsenztrainings und individuelle Coachings finden nicht oder nur sehr reduziert statt und der Bedarf an sofort einsatzbereiten eLearnings und LMS-Zugängen ist deutlich gestiegen.
Für den HR-Impuls-Check "Die HR-Funktion in und nach der Corona-Krise" befragte die Unternehmensberatung Kienbaum im Mai 2020 HR-Führungskräfte nach ihrer Einschätzung zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Geschäftsentwicklung, die Belegschaft und die Personalarbeit ihres Unternehmens. Damals nannten 56% die Digitalisierung der HR-Operations-Prozesse als Hauptthema und HR-Treiber. Auch die Umstellung der Aus- und Weiterbildung und des Lernprozesses auf digitale Formate war laut der Umfrage für 46% der Personalverantwortlichen ein wichtiges Thema.
Der endgültige Durchbruch für digitales Lernen in Unternehmen. Wie es aussieht, hat Corona über Nacht geschafft, woran sich die eLearning-Branche seit Jahrzehnten versucht. Während viele Unternehmen Kurzarbeit anmelden, werden in den eLearning-Unternehmen Sonderschichten gefahren. Plötzlich muss es schnell gehen. Plötzlich brauchen alle eLearning-Plattformen, eLearning-Kurse und Virtual Classrooms.
Zehn Gründe, die dafürsprechen, dass digitales Lernen bleibt, auch wenn Corona geht.
10 Thesen zur neuen Normalität des digitalen Lernens in Unternehmen
1. Arbeiten und digitales Lernen im Homeoffice
Es hat sich gezeigt, dass Homeoffice eine andere und zuweilen produktivere Möglichkeit ist zu arbeiten. Es hat sich auch gezeigt, dass Homeoffice sich zwar nicht für alle Arbeiten eignet, für eines aber dafür umso mehr: fürs Lernen. Wenn den Mitarbeitenden gute Lernressourcen in einer nutzerfreundlichen Lernumgebung zur Verfügung stehen, die wiederum in eine soziale Lernarchitektur eingebunden sind, wird es künftig heißen: Homeoffice statt Seminarhotel.
2. Digital ist anders
Wenn uns Corona lehrt, dass man statt zwei Tage im Seminarhotel auch zwei Tage zuhause lernend investieren kann, dann verschwindet damit (hoffentlich) auch die Verengung des digitalen Lernens auf das "Nebenbei-Lernen". Es hat sich gezeigt, dass "digitales Lernen" weder schneller noch langsamer ist als analoges Lernen, nur anders.
3. Tools für digitales Lernen in Unternehmen nutzen
Die Technik rückt in den Hintergrund. Während LMS-Anbieter immer noch mehr Features in ihre Learning-Experience-Plattformen knüppeln, sind die Nutzer längst woanders. Die Frage vieler L&D Profis, wie sie die Nutzer dazu kriegen, auf der Lernpattform zu interagieren, dürfte sich zu deren Wohlgefallen auflösen. Denn die Leute nutzen für digitales Lernen die gleichen Tools, die sie auch zum Arbeiten oder in der Freizeit nutzen.
Zum Lernen in digitalen Welten braucht es deshalb nicht mehr als den Zugang zu guten Lernressourcen. Die Kommunikation in Lerngruppen, mit Lernbegleitern, Führungskräften und anderen Beteiligten findet über die Kommunikationstools statt, die ohnehin genutzt werden.
4. Lernkontrolle im Unternehmen
Großes Konfliktpotenzial dabei, digitales Lernen in Unternehmen durchzusetzen bot das Thema "Lernkontrolle". Lernkontrolle, so die Angst, könnte zur Stigmatisierung derer führen, die die Lerntests gar nicht oder schlecht abschließen. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass Nicht-Lernen die größere Gefahr ist. Und "Benotung" hat zumindest im "lernenden Unternehmen" als Leitkategorie fürs Lernen nichts zu suchen.
5. Lernzeit ist Arbeitszeit
Im gleichen Atemzug muss "Lernzeit" genannt werden. Denn die Mitarbeitenden, die in der Mittagspause, an der Bushaltestelle oder am Feierabend im Park per Smartphone effektiv lernt, war zwar gleichermaßen Wunschbild wie Alptraum der jeweiligen Akteure. Denn wie Denken braucht auch Lernen vor allem drei Sachen: Input, Verarbeitungskompetenz und Zeit. Jetzt dürfen viele die Erfahrung machen, dass Lernzeit, und zwar ungestörte Lernzeit, sinnvoll investierte Arbeitszeit ist.
6. Digitales Lernen in Unternehmen auf Augenhöhe
Die für das Thema "digitales Lernen" so katastrophale Vorstellung, Lernen sei Klicken, hat sich selbst entblößt. Hunderttausende haben im Homeoffice Zeit zu lernen und merken, dass es nicht darum geht, schnell ein WBT durchzuklicken. Sie entdecken, was lernen ist: Ein Thema von allen Seiten zu begreifen, sich zurückzulehnen, sich Gedanken zu machen, Themen zu durchdringen.
Lernen braucht Zeit – und Lernen hat Zeit verdient. Das dürfte für viele eine wertvolle Erkenntnis sein. Für die L&D Profis auf Seiten der Unternehmen wie auch auf Seiten der Anbieter ist das der Aufruf, die Lernenden ernst zu nehmen und Angebote mit Lernressourcen und Lernarchitekturen auf Augenhöhe zu machen.
7. Lernprozess statt Lernevent
Der Lernevent ist tot. Es lebe der Lernprozess. Corona hat uns ins Homeoffice geschickt und uns gezwungen, virtuell zusammen zu arbeiten und zusammen zu lernen. Viele haben zum ersten Mal seit langem erfahren, was es bedeutet, einmal ein paar Stunden bei der Sache zu bleiben. Sie haben es schätzen gelernt, mit Kollegen im (Video)-Chat Erfahrungen auszutauschen. Sie lernen auch, dass Lernen nie "fertig" ist, sondern immer der Ausgangspunkt für neue Entdeckungen.
Lernen wird jetzt erfahren als Prozess, als die schrittweise Entwicklung von Kompetenz. "Druckbetankung" wird damit hoffentlich Geschichte sein.
8. TrainerInnen als digitale LernbegleiterInnen
Viele läuten den TrainerInnen jetzt das Totenglöckchen. Das ist falsch. Richtig ist, dass die Aufgabenprofile von TrainerInnen sich radikal wandeln werden. Kaum einer wird künftig noch Modelle an die Flipchart malen. Kaum einer mehr wird Vorträge halten über das Führen, Verkaufen, die Kommunikation und was es sonst an Themen gibt. Denn all diese Inhalte gibt es schon jetzt in digitaler Form und täglich werden es mehr.
TrainerInnen von heute und erst recht TrainerInnen von morgen werden digitale LernbegleiterInnen sein. Sie werden Lernpfade entwickeln und Lerngruppen über Wochen oder gar Monate hinweg betreuen. Das ist nur online abbildbar, egal, von wo die Teilnehmenden zugreifen. TrainerInnen organisierten jetzt Online-Meetings, stehen mit ihrer Expertise bei Fragen zur Seite und leisten in 1:1 Coachings mehr, als sie bisher jemals leisten konnten.
9. Vom Mitarbeiter zum Mitdenker
Das Kontrollparadigma hat ausgedient. Stattdessen bricht sich das Entwicklungsparadigma Bahn. Kein Wunder, denn immer mehr Unternehmen sind darauf angewiesen, nicht nur Mitarbeitende sondern auch Mitdenkende in ihren Reihen zu haben. Das verlangt nach einer Lernarchitektur, die selbstorganisiertes Lernen ermöglicht. Dass die Mitarbeitenden dazu willens und in der Lage sind, zeigen sie derzeit in ihren Homeoffices von Flensburg bis Freiburg.
10. Zuhause und Büro ergänzen sich
Es wird sich auch zeigen, dass das "Büro" ein Ort sein kann, an den man gerne geht, weil man Kollegen trifft, weil man auch mal abschalten kann vom Trubel zuhause und weil sich doch ganz andere Dynamiken entwickeln, wenn man gemeinsam diskutieren und für gute Ideen streiten kann.
Schon jetzt zeigen neue Büroarchitekturen, dass Unternehmen MitarbeiterInnen viel bieten können, was sie zuhause nicht haben. Rückzugsorte für konzentriertes Arbeiten, Kreativräume voller Kram für wildes Denken und auch das: gute Schreibtische mit guten Monitoren und einem guten Schreibtischstuhl davor.
Wenn dazu noch die Möglichkeit kommt, sich ganz selbstverständlich "Lerntage" zu Hause zu nehmen, sind wir hochwertigem "New Work" wieder einen Schritt näher gekommen. Umso mehr, wenn man das Hirn dann auch wieder mal gefahrlos im Freien lüften darf.
Was bedeutet Digitalisierung das "New Normal" für Personalverantwortliche?
Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeitende brauchen die Agilität, sich schnell an neue Gegebenheiten und Marktsituationen anzupassen. Sie müssen die Augen offen halten für Chancen und neue Märkte, die durch neue Produkte und Dienstleistungen möglich werden. Sie müssen zudem bereit sein, Risiken einzugehen und lernen, auch in unübersichtlichen Zeiten Entscheidungen zu treffen. Schließlich müssen sie sich immer wieder fragen, ob das, was heute erfolgversprechend ist, auch morgen noch erfolgreich sein wird.
Personalverantwortliche und L&D-Spezialisten brauchen flexible, effektive und nachhaltige Lösungen, um den hohen Weiterbildungsbedarf zu decken. ELearning-Content kann eine tragende Säule bilden, um Mitarbeitende und Unternehmen fit für die Digitalisierung zu machen.
2024 neigt sich dem Ende zu und damit starten die Vorbereitungen für das nächste Jahr. Welche Trends werden in 2025 die L&D Branche prägen? Was sind die größten Herausforderungen für Personalentwickler:innen und wie können sie ihnen begegnen? Nehmen Sie sich fünf Minuten Zeit!