Zukunftsthema

"Sichtbarkeit, Nähe und Intelligenz"

Thomas Klose, Creative Director Darmstadt, Dezember 2014 - Sobald ein Nutzer im Umgang mit einer Maschine nachdenken muss, hat irgendjemand im Vorfeld geschlafen. Das findet zumindest Thomas Klose, Creative Director und Director Editorial der Camao AG in Darmstadt. Denn der Nutzer ist derjenige, für den ein Interface, wie Mensch-Maschine-Schnittstellen auch genannt werden, am wenigsten spürbar sein darf.

Wer sollte sich mit dem Thema Mensch-Maschine-Interface befassen?

Thomas Klose: Schnittstellen zu Maschinen sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Selbst wenn wir den Fön einschalten oder das Auto starten, treten wir mit einer Maschine in Kontakt. Deshalb ist eine Auseinandersetzung mit Interfaces für jeden unerlässlich, der Hard- oder Software entwickelt, also alle Designer, Konzeptentwickler und auch Programmierer. Jeder von ihnen muss ein Gefühl dafür entwickeln, was eine gute Mensch-Maschine-Schnittstelle ausmacht. Leider ist das nicht jedem bewusst.

Das gilt übrigens nicht erst, seit es Computer gibt. Selbst eine Schere oder eine Axt stellen eine Form des Interfaces dar. Und auch hier gibt es gute und schlechte Varianten. Deshalb ist eine ausführliche Beschäftigung mit diesem Thema nicht nur eine Frage guter Produktentwicklung und Akzeptanz, sondern auch der Empathie zu anderen Menschen. Ein Misanthrop wäre hier fehl am Platz.

Wo liegen aus Ihrer Sicht die aktuellen Herausforderungen?

Thomas Klose: Interfaces werden uns mit zunehmender Digitalisierung an immer mehr Stellen begegnen. Nehmen wir das Thema "Smart Home", das ein Teilbereich des "Internet der Dinge" ist. Zukünftig wird man jedes elektrische Gerät über eine Schnittstelle erreichen und steuern können - von der Heizung, über die Rollläden bis hin zum Eierkocher, den man auf dem Rückweg vom Brötchenholen einschalten können wird. Die Herausforderung liegt damit in der schieren Größe des Themas. Für all diese Schnittstellen müssen zukünftig Oberflächen und Standards geschaffen werden, die den Menschen einbeziehen und nicht überfordern.

Es geht darum, die perfekte Schnittstelle zu schaffen?

Thomas Klose: Seit einigen Jahren beobachten wir im Umgang mit elektronischen Geräten Ermüdung und Überforderungen. Dies ist zum einen der häufig immer noch schlechten Qualität der Schnittstellen zu verdanken, die mit zu wenig Nutzerzentrierung erdacht und gestaltet wurden. Ich bin allerdings auch der festen Überzeugung, dass wir eine voll digitalisierte Welt gar nicht wollen. Der Wunsch nach Nachhaltigkeit und dem "Wahren und Echten", die Renaissance von Selbstgemachtem und Naturmaterialien, das alles ist kein Zufall. Es ist eine Art Gegenbewegung und Ausdruck einer Sehnsucht des Menschen nach Wärme und Lebendigkeit – etwas, das uns eine Maschine niemals geben können wird, egal wie perfekt die Schnittstelle zu ihr ist.

Wie müssten Schnittstellen werden, damit Menschen sie akzeptieren?

Thomas Klose: Hierzu gibt es so viele Auffassungen wie technologische Richtungen. Es gibt einen deutlichen Trend zu "Wearables", hier spielen neue und intuitivere Eingabeformen eine Rolle, wie die Sprach- und Gestensteuerung. Damit bleiben die Hände frei und können andere Dinge tun, wie z.B. das Auto steuern. Fast allen Richtungen gemein ist, dass das Interface immer weiter in den Hintergrund rückt. Es ordnet sich der Funktion und vor allem der Umgebung unter und wird nur wahrnehmbar, wenn es benötigt wird. Ähnlich einem guten Geist, der nur auftritt, wenn man ihn ruft.

Was sind die zentralen Parameter für die kommenden Entwicklungen?

Thomas Klose: Ich sehe hier drei wichtige Aspekte: Sichtbarkeit, Nähe und Intelligenz. Die Sichtbarkeit und Spürbarkeit von Mensch-Maschine-Schnittstellen wird zurückgehen. Gleichzeitig wird es aber eine erhöhte dauerhafte physische Nähe geben. Hier sprechen einige Stimmen bereits von Kontaktlinsen und Augenimplantaten als Nachfolger der Google Glass Brille. Daran als Massenprodukt glaube ich persönlich nicht, zumindest nicht in naher Zukunft.

Die eigene Intelligenz der Schnittstelle wird zunehmend wichtiger werden. Schon heute erleben wir, dass Programme wie Siri oder Google Suche einfache Fragen interpretieren und Antworten aussprechen können. Dies wird vor dem Hintergrund der wachsenden Komplexität der digitalen Welt zunehmen und dem Menschen Denkarbeit abnehmen.

Wie kann man der zukünftigen Entwicklung adäquat begegnen?

Thomas Klose: Professionals müssen diesem sich schnell entwickelnden Bereich mit ständigem Interesse und kontinuierlichem Lernen gegenüber stehen. Vom Nutzer sind gesunde Distanz und Selbstbewusstsein gefragt. Gemeint ist, dass sich letztlich nur das durchsetzen wird, was der Mensch in breitem Maße akzeptiert. Oder eben ablehnt. Auch hier sind die Google-Glasses ein gutes Beispiel: Zunächst gefeiert, haben sie bis heute keine Marktdurchdringung erreichen können. Grund ist das Missverhältnis zwischen äußerer Unbequemlichkeit und dem zu geringen Mehrwert für den Nutzer.