Im Spannungsbogen zwischen eLearning und Serious Games
Saarbrücken, August 2015 - Lernen soll auch Spaß machen! Hierin sind sich Weiterbildungsverantwortliche und Lerner in Unternehmen einig. Aus diesem Grund halten zunehmend spielerische Elemente Einzug in klassische Weiterbildungskonzepte. Falk Hegewald, Dozent an der Hochschule für Kunst, Design und Populäre Musik (hDKM) in Freiburg, ist studierter Designer und Spezialist für die Konzeption und Umsetzung von digitalen Lernspielen. Er ist als Leiter der New Media Content Abteilung der IMC AG verantwortlich für die Entwicklung und Produktion von individuellen Lernformaten mit Fokus auf Game-based Learning und Web 2.0.
Herr Hegewald, was versteht man unter "Gamification"?
Falk Hegewald: Hinter dem Schlagwort "Gamification" verbirgt sich ein Ansatz, bei dem verschiedene Spielemechaniken aus Spielen extrahiert und in spielfremde Zusammenhänge gebracht werden. So kann man zum Beispiel bei klassischer Fließbandarbeit durchaus auch spielerische Elemente integrieren, etwa indem über Monitore Highscore-Tabellen angezeigt werden, auf denen die einzelnen Teams ihren Leistungsstand ablesen können. Dadurch sollen die Arbeiter dazu angeregt werden, erfolgsorientiert zu arbeiten.
Das Streben nach Erfolg in Wettbewerben liegt schließlich in der Natur des Menschen. Letztendlich können durch die Nutzung von Spieleelementen also Anreize zum Lernen geschaffen werden und das Lernen kann an die Bedürfnisse insbesondere der jungen Generation angepasst werden.
Der Fokus von "Gamification" liegt dementsprechend im Verändern und Anreichern bereits bestehender Konzepte und Ansätze und nicht zwangsläufig in der Entwicklung von neuen Computerspielen. Der Einsatz der Spieleelemente in der Arbeitswelt sollte jedoch gut durchdacht sein, damit er einen echten Mehrwert generiert. Mir fallen auch Negativbeispiele ein, etwa wenn in amerikanischen Restaurants unterschiedlich farbige Kleidung eine Aussage über die Qualifikation und Leistung eines Mitarbeiters vermitteln soll.
Wie kann das "Gamification"-Prinzip in eLearning Projekten umgesetzt werden?
Falk Hegewald: Im eLearning Bereich gibt es auf der einen Seite klassische Web-based Trainings (WBTs) mit in Texten verpackten Informationen und Wissensfragen, auf der anderen Seite aber auch aufwendig produzierte Serious Games. Genau in diesem Spannungsfeld bewegen sich, je nach Einsatz, Lerninhalte, die mit Gamification-Elementen versehen sind. Von einfachen Badges, also digitalen Abzeichen und Lernzertifikaten, bis hin zu kleinen Mini-Games und komplexen Rollenspielkomponenten lassen sich vielfältige Spielekomponenten in WBTs integrieren. Spielerische Elemente kommen im Prinzip überall dort zum Einsatz, wo Interaktion mit den Lerninhalten auf unterhaltsame Weise stattfindet.
Dies kann zum Beispiel geschehen, indem bei Wissensfragen eine Zeitkomponente integriert wird. Die Zeitkomponente macht Entwicklungen messbar und vergleichbar und ermöglicht freundschaftliche Wettbewerbe. Dadurch steigt die Motivation des Lerners und es entsteht eine Online-Gemeinschaft. In Zukunft wird der Aufbau solcher Communities eine noch viel größere Rolle im eLearning spielen.
Man möchte sich immer mehr von dem Gedanken wegbewegen, dass der Lerner sich beim eLearning die Lerninhalte ohne soziale Interaktion hinter seinem Bildschirm sitzend konzentriert und eigenständig erarbeiten muss. Dies ist in der Regel mit wenig Spaß verbunden. Aber richtig konzipiert kann eLearning sehr wohl Spaß machen und die Wirkung ist nicht weniger effektiv.
Betrachtet man heute die hohen Besucherzahlen großer Weiterbildungsmessen wie der LEARNTEC in Karlsruhe, so scheint das Thema eLearning und "Gamification" mehr denn je im Trend zu liegen. Handelt es sich dabei um einen momentanen Hype?
Falk Hegewald: Ich würde es nicht als Hype bezeichnen, sondern als Trend, der sich stetig verfestigt. Wer bei diesem Thema genauer hinschaut, stellt schnell fest, dass es sich um eine kontinuierliche Entwicklung handelt, die durch den technologischen Wandel und all das, was die digitalen Medien uns heute erlauben, befördert wurde. In meinen Augen wird "Gamification" mit Sicherheit ein langfristiges Thema sein.
Die Weiterbildungswelt wird sich zunehmend in eine Richtung entwickeln, in der vielleicht am Ende auch die klassische Welt der Zertifikate und Diplome, wie wir sie heute kennen, dahingehend ergänzt wird, dass die Lerner die Möglichkeit erhalten, spielerisch verschiedene Auszeichnungen zu sammeln, die als eine anerkannte Form des Nachweises gelten können. Wir stellen fest, dass diese Fragestellungen und Ideen keine Zukunftsmusik sind, sondern bereits gegenwärtig existieren. Unternehmen, die sich heute Gedanken darüber machen, wie sie ihre Aus- und Weiterbildung gestalten können, werden an dem Thema "Gamification" kaum vorbeikommen.
Was sollten Unternehmen beachten, wenn sie sich entscheiden, Gamification-Elemente im eLearning zu nutzen?
Falk Hegewald: Wenn man Spieleelemente in WBTs nicht nur zwischendurch zur Auflockerung nutzen möchte, sondern durch ihren Einsatz einen echten Mehrwert erzielen will, müssen diese zu dem Inhalt passen, den man vermitteln möchte. Ist dies nicht der Fall und haben die genutzten Elemente keine Relevanz für den tatsächlichen Lernerfolg, kann das Ergebnis schnell aufgesetzt wirken und zu Ablehnung bei den Lernern führen. In einem gut konzipierten Training sollten die Lerner den Einsatz der Spieleelemente gar nicht bewusst wahrnehmen, sondern diese sollten sich ganz selbstverständlich in die Lernumgebung fügen.
Neben der Auswahl von Gamification-Elementen, die zu den zu vermittelten Inhalten passen, was müssen Unternehmen speziell mit Blick auf die Zielgruppe noch berücksichtigen?
Falk Hegewald: In den letzten Jahren drängen verstärkt die sogenannten "Digital Natives" in die Unternehmen. Je jünger die Lernerschaft ist, desto aufwändiger können die genutzten Gamification-Elemente ausfallen. Die "Generation Gameboy" ist mit Spielen und Videospielen groß geworden. Dementsprechend hoch ist die Erwartungshaltung dieser Zielgruppe an Optik, Usability und Motivation der Lerninhalte.
Würden Sie sagen, dass sich durch den Trend der zunehmend spielerischen Wissensvermittlung auch das Nutzungsverhalten der Lerner verändert hat?
Falk Hegewald: Ich würde eher sagen, dass ein verändertes Nutzungsverhalten der Lerner den Trend der spielerischen Wissensvermittlung beflügelt hat. Durch mobile Technologien wie Smartphones und Tablets findet Lernen nicht mehr nur am Arbeitsplatz statt, was sich wiederum stark auf die Erwartungshaltung der Lerner an die Gestaltung und die mediale Aufbereitung von Inhalten auswirkt. Wenn ich am Wochenende mit meinem Tablet auf dem Sofa sitze, dann impliziert das ja geradezu die Einbindung von spielerischen Elementen zum Ansporn und zur Auflockerung.
Mit welchen Fragestellungen kommen die Unternehmen heute auf Sie zu? Und wie gehen sie damit um?
Falk Hegewald: Auch hier bemerken wir große Veränderungen. Beim Kontakt mit unseren Kunden erfüllen wir zusehends eine Beraterrolle. Immer öfters gestalten wir gemeinschaftlich mit dem Kunden entsprechende Workshops, bei denen wir uns zusammen überlegen, welche Lerninhalte wie aufbereitet und final umgesetzt werden sollen. Generell versuchen wir bei IMC, in alle Trainings spielerische Elemente einfließen zu lassen. Dabei schauen wir aber immer ganz individuell auf den konkreten Fall und entwickeln darauf basierend ein ganzheitliches Konzept.