Schulentwicklung mit Weiterbildungspotenzial
Durmersheim, Mai 2020 - Der Einsatz von Scrum an der Hardtschule in Durmersheim zeigt, wie die Methode nicht nur Projekte vorantreibt, sondern auch für die Weiterentwicklung der Beteiligten sorgt.
Jedem Kind ein Angebot zu machen, welches es bestmöglich in seiner individuellen Lern- und Persönlichkeitsentwicklung fördert – ein besseres Ziel kann sich eine Schule kaum setzen. "Bei SchülerInnen mit völlig unterschiedlichen Lern- und Begabungsstufen innerhalb einer Lerngruppe müssen Lernprozesse stark individualisiert und spezielle Formen des Lernens und des Vermittelns von Wissen und Kompetenzen aufgesetzt werden", erklärt dazu Volker Arntz, Schulleiter der Hardtschule in Durmersheim, südlich von Karlsruhe.
Warum Scrum?
Wenn in einer Klasse gleichzeitig auf verschiedenen Leistungsniveaus und in variablem Tempo gelernt werden soll, ist klassischer Frontalunterricht ungeeignet. Die Hardtschule ersetzt diesen deshalb durch Lernlandschaften, in denen die Kinder zu jedem Kompetenzfeld Lernjobs selbständig bearbeiten. Doch es gibt keine Quelle, aus der eine Schule die Bestandteile einer solchen Lernlandschaft fertig beziehen könnte. Es ist Aufgabe der jeweiligen LehrerInnen, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen und das notwendige Material selbst auszuarbeiten.
"Wie schaffen wir es mit vertretbarem Aufwand, einheitliche Materialien und Prozesse zu gestalten, die ideal dafür sind, Kompetenzen zu vermitteln?", so lautete die Frage der Schulleitung, als sie begann, nach Lösungen zu suchen. Dabei identifizierte sie Scrum als mögliche Organisationsmethode für diese vielschichte Aufgabe. Warum? Nicht nur empfiehlt sich das Instrument für komplexe Umfelder, es setzt auch auf Teamarbeit und eröffnet damit die Möglichkeit, alle beteiligten PädagogInnen gleichermaßen einzubeziehen und persönlich weiter zu entwicklen. Als weiterer großer Vorteil bietet Scrum ein iteratives Vorgehen mit regelmäßigen Feedbackschleifen.
Workshop und Formierung der Teams
Für den Einstieg in Scrum setzte die Schulleitung zwei pädagogische Tage an. Am ersten Tag stand ein Lego Scrum-Workshop auf der Agenda. Dabei bildeten die LehrerInnen Teams, die gemeinsam aus den bunten Bausteinen eine Stadt erstellten und sich dabei an die gesetzten Vorgaben des Product Owners – hier verkörpert durch den Trainer – hielten. Oder sie ignorierten diese, wenn die Kommunikation nicht eindeutig genug war.
In dieser Phase lernten die Teilnehmenden die unterschiedlichen Scrum-Rollen kennen, genau wie die diversen Scrum-Meetings und Scrum-Artefakte wie etwa das sogenannte Backlog. Dieser Begriff beschreibt eine Liste von Anforderungen, die der Product Owner für die weitere Bearbeitung priorisierte. Beschrieben wurden die einzelnen Anforderungen in so genannten User Stories im Stil von "Als XY möchte ich Z, damit ich A und B tun kann".
Jedes Team bestimmte selbst, wie viele solcher Stories in den Arbeitsplan eines Sprint genannten Arbeitsintervall, aufgenommen werden. Am Ende jedes Sprints entschied der Product Owner, ob er das abgelieferte Produkt akzeptiert oder nicht, ggf. geht die User Story zurück in das Backlog und wir von dort neu gezogen. Die zugrundeliegenden Akzeptanzkriterien werden durch ihn vorher in der Definition of Done (DoD) festgelegt und allen Beteiligten transparent gemacht.
Am zweiten Tag diskutierten die Beteiligten – die das Modell nun kennengelernt hatten - aus, ob sie zukünftig nach Scrum arbeiten wollten. Mit der Einigung darauf stellte sich die Frage nach der Besetzung der weiteren Scrum-Rollen sowie der konkreten Ausgestaltung des Scrum-Rahmenwerks.
Die Organisation
In der Gesamtorganisation der Schule arbeiten nicht alle Bereiche nach Scrum, sondern jene Teams aus den jeweiligen Fachlehrern, die dafür verantwortlich sind, Materialien und Prozesse zur Unterrichtsgestaltung zu erschaffen und weiter zu entwickeln wie Lernjobs oder Kompetenzchecks. Jedes einzelne dieser Fachteams besteht aus Entwicklern, einem prozess-verantwortlichen Team Scrum-Master und einem fach-verantwortlichen Product Owner. Für das gesamte Team gelten interne und gemeinsam entwickelte Qualitätskriterien, die lokalen Definition of Done.
Sämtliche Scrum-Master treffen sich idealerweise regelmäßig in der Scrum-Master-Runde und teilen dort ihre Erfahrungen. Analog dazu kommen die Product Owner in einer Product Owner-Runde zusammen, in der sie schulweit gültige Qualitätskriterien entwickeln, die globalen Definition of Done.
Potenziale gehoben
Die Praxis zeigt: Scrum funktioniert dann am besten, wenn sich die Beteiligten bewusst dafür entscheiden können. An der Hardtschule arbeiten zurzeit acht Teams nach Scrum, das letzte Fachteam (Englisch) hat seine Arbeit Anfang 2018 auf Scrum umgestellt. Die Teams treffen sich einmal pro Woche, die Product Owner Runde kommt etwa alle vier Wochen zusammen. Die Scrum Master Runde tritt aus Zeitgründen aktuell nicht zusammen.
Das Resümee der Schulleitung zum Einsatz von Scrum ist rundum positiv: Durch die ständige Weiterentwicklung der lokalen Definitions of Done auf Fachteam- sowie Product Owner-Rundenebene mit reflektierter Praxiserfahrung konnte die Lernlandschaft erheblich verbessert werden. Die Kommunikation an der Schule hat sich verändert. Die Product Owner-Runde wirkt zudem sehr positiv auf die Standardisierung und Qualitätssicherung der voran getriebenen Prozesse. Die operative Hektik sei weg, an ihre Stelle sei ein ruhiger, planvoller Entwicklungsprozess getreten, so die einhellige Meinung. Besonders positiv finden die Beteiligten, dass man nicht immer wieder von vorne diskutiere und auch nichts zweimal in die Hand nehmen muss.
Auch die sehr knapp bemessene Teamzeit, Stichwort Ressourceneinsatz, könne seit der Einführung des Scrum-Prozesses viel effektiver genutzt werden. Schulleiter Arntz kommt damit als Verantwortlicher zu einem klaren Resümee: "Der Scrum-Prozess liefert für uns den optimalen Rahmen zur systematischen Qualitätsentwicklung unserer Schule."