Spiele-Technologie

Interactive Storytelling

Darmstadt, Mai 2008 - Als gemeinnütziges Institut für angewandte Forschung im Bereich der Computergraphik, sieht sich das Zentrum für Graphische Datenverarbeitung e.V (ZGDV) als Brücke zwischen Wissenschaft und unternehmerischer Praxis. CHECK.point eLearning fragte Dr. Stefan Goebel, Abteilungsleiter Digital Storytelling, wie weit der Technologietransfer zwischen Forschung und Industrie im Bereich Serious Games gediehen ist.




Warum befasst sich das ZGDV mit dem Thema Serious Games?

Dr. Stefan Göbel: Inhaltliche Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte des ZGDV bilden Computer Vision Technologien und Methoden, Konzepte und SW-Realisierungen im Bereich des Interactive Digital Storytelling; Hauptanwendungsbereiche sind Training und Simulation sowie Storytelling-basierte Edutainment Anwendungen. Diese Technologien und Anwendungen repräsentieren klassische Anwendungsbereiche für Serious Games, so dass es sehr nahe lag sich intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen.

Beispielsweise haben wir eine Autorenumgebung entwickelt, die es auch Nicht-Programmieren erlaubt, Inhalte und Geschehnisse (z.B. historische Begebenheiten, Lerninhalte oder auch fiktive/simulierte Trainingsszenarien) in Geschichten zu verpacken und diese dem Endanwender in verschiedenen Formen präsentiert, das heißt als PC Anwendung, online, mobile, interaktive Kioskanwendung, Touchscreen-Applikation, etc.

Unsere entwickelten Methoden und Konzepte wurden bereits in vielfältigen Forschungs- und Entwicklungsprojekten prototypisch umgesetzt und auch in Industrieprojekten erfolgreich eingesetzt. Jedoch konnte bisher immer noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden, ob es sich mit den Storytelling-basierten und spielerischen Ansätzen nicht wirklich besser lernen lässt. Auf jeden Fall lernt der Anwender länger, weil es mehr Spaß macht. Deswegen ist der Lernerfolg meistens nachhaltiger.

Das ZGDV veranstaltet seit 2005 gemeinsam mit einer Reihe von Partnern aus Industrie und Forschung die GameDays in Darmstadt. Welchen Platz haben die Serious Games im Laufe der Jahre eingenommen?

Dr. Stefan Göbel: Die GameDays als "Science meets Business"-Veranstaltungsreihe widmen sich von Beginn an der Thematik Serious Games: Hier wird der Dialog zwischen der Games Industrie und der Wissenschaft forciert und analysiert wie wissenschaftliche Erkenntnisse und Technologien für innovative Spielekonzepte aufgegriffen werden können und welchen Mehrwert diese bringen.

Die GameDays sind zudem eine Plattform, um den Einsatz von spielerischen Konzepten und Serious Games in den diversen Anwendungsbereichen und Branchen zu diskutieren und anhand von praktischen Beispielen zu demonstrieren.

Schließlich bieten die GameDays der Öffentlichkeit (Politik, Bildung, Eltern, Schulen) einen Einblick "hinter die Kulissen" und tragen zum positiven Image von Computerspielen bei: Selbstverständlich wird auch das Thema Killerspiele und Wirkung von Computerspielen adressiert - jedoch wird vor allem der positive Nutzen und das enorme Potential von Computerspielen und spielerischen Ansätzen in den diversen Anwendungsbereichen thematisiert.

Rund um das Thema Gaming ist das ZGDV in eine Reihe von EU-Projekten involviert. Welche Projekte befassen sich dabei mit Serious Games? Welche Aufgabe nimmt das ZGDV dort wahr?

Dr. Stefan Göbel: Eines der EU-Projekte ist INSCAPE (Interactive Storytelling for Creative People), das im September 2004 startete und eine Laufzeit von vier Jahren hat.

Das grundlegende Ziel von INSCAPE ist die Bereitstellung von Methoden, Konzepten und Werkzeugen, die jedermann in die Lage versetzen, eigene Stories zu erstellen und zu publizieren. Dies umfasst alle möglichen Arten und Ausprägungen von Geschichten und interaktiven Szenarien, wie zum Beispiel Filme, Comics, Videospiele, Trainings- und Simulationsanwendungen, Live Performances oder Mixed Reality Edutainment Installationen.

Ein weiteres Projekt, das gerade startet ist 80Days - Around an inspiring virtual learning world in eighty days. 80Days als EU-Projekt im Bereich "Technology-enhanced learning" widmet sich im Kern der Fragestellung wie spielerische und Storytelling-Konzepte das Lernen verbessern können.

Das ZGDV ist hierbei für den Teil Storytelling zuständig und bringt seine Kenntnisse und Technologien zur Erstellung und dem Abspielen von interaktiven Story-basierten Szenarien ein (Autorenumgebung, Story Editor, Story-Engine) ein.

Im nächsten Schritt wird diese Technologie mit einer adaptiven Lern- und einer Game-Engine integriert und letztlich versucht, über Evaluationen und empirische Studien im Hinblick auf den Lernerfolg einen positiven Mehrwert nachzuweisen: Nicht nur länger, sondern auch besser lernen.

Wie nimmt die Industrie Serious Games an?

Dr. Stefan Göbel: Die Industrie interessiert sich immer mehr für Serious Games; insbesondere in den Bereichen Training und Simulation aber auch als Werbung gibt es bereits zahlreiche Projektbeispiele und erfolgreiche Umsetzungen.

Auch in anderen Bereichen wie Kultur, Sport, Gesundheit und der schulischen Bildung gibt es erste Ansätze. Allerdings stellen die vergleichsweise hohen Produktionskosten für qualitativ hochwertige Serious Games - und Jugendliche vergleichen beispielsweise die Graphik in Lernspielen mit aufwendigen AAA Game Titeln - ein erhebliches Hindernis dar.

Wirtschaftliche Statistiken und Prognosen belegen das große Wachstumspotential von Serious Games als "Nischenmarkt" des ohnehin prosperierenden Games Marktes. Auch können mit Serious Games aus Sicht der Games Industrie selbst neue Zielgruppen wie Familien oder "Best Ager" erreicht werden.