Wachstum im EdTech-Markt – platzt der Traum vom Milliardengeschäft?
Berlin, November 2022 - (von Dr. Nina Bohlken, CDO Studienkreis) Die Zukunft ist digital – aber gilt das auch für den Bildungsbereich? In einigen Jahren sollen hybrides Lernen und Distanzunterricht zum Standard im Bildungsmarkt gehören. Damit das gelingt, braucht es junge, innovative Tech-Unternehmen und Initiativen. Bisher hat der europäische Markt allerdings im Vergleich zu den asiatischen und amerikanischen Märkten kaum EdTech-Einhörner (Start-ups mit Bewertung von mindestens 1 Milliarde Euro) hervorgebracht. Und wer sich auf dem deutschen EdTech-Markt umschaut, wird auch dort nur eine recht überschaubare Anzahl an Start-ups vorfinden. Ist der Bedarf an zusätzlicher digitaler Lernförderung nicht groß genug, um innovative EdTechs hervorzubringen? Gibt es auf dem deutschen Markt für sie überhaupt noch Wachstumspotenzial oder platzt der Traum vom Milliardengeschäft?
Investitionen in den EdTech-Markt steigen
Seit der Corona-Pandemie hat sich viel verändert – auch auf dem Bildungsmarkt. Sie hat uns deutlich gezeigt, wie es um die Digitalisierung der Bildung steht: der Aufholbedarf ist riesig. Mit verschiedenen Maßnahmen erhielt der Bildungsmarkt einen wahren Digitalisierungsschub, wovon insbesondere digitale Bildungsanbieter profitieren.
Die Nachfrage nach Innovationen steigt, was natürlich auch die Wachstumsfantasien der Investor:innen beflügelt: Laut dem European EdTech Funding Report 2022 wurden allein im ersten Halbjahr 2022 rund 1.4 Milliarden Euro Risikokapital in europäische EdTech-Unternehmen investiert. Das sind knapp 40 Prozent mehr als im Vorjahr.
Aber nicht nur Investor:innen wollen den EdTech-Markt vorantreiben, auch die Bundesregierung hat das große Potenzial erkannt. So können Start-ups aus dem Bildungsbereich eine direkte finanzielle Unterstützung vom Bundesbildungsministerium erhalten – insgesamt stehen knapp neun Millionen Euro zur Verfügung. Dazu kommen noch öffentliche Förderungen auf Landesebene, wie zum Beispiel EdTech Next. Das Projekt hat das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit der Founders Foundation und EDUvation gestartet, um Gründungen in NRW mit rund drei Millionen Euro zu unterstützen.
Bedarf an zusätzlicher digitaler Lernförderung wächst
Finanzierungs- und Förderungsmöglichkeiten gibt es also für EdTechs – fehlt es dann an der Nachfrage, dass die Anzahl an deutschen Start-ups so überschaubar ist? Eher das Gegenteil trifft zu, denn insbesondere Schüler:innen sind sehr aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien. Auch die Analyse der Studienkreis Online-Nachhilfe deckt den großen Bedarf nach zusätzlicher digitaler Lernförderung auf: Die Nachfrage nach Online-Nachhilfe stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich an. Seit Beginn der Pandemie hat sich die Anzahl organisierter Unterrichtsstunden innerhalb eines Jahres sogar verdoppelt.
Besonders zum Schuljahresstart und nach Vergabe der Halbjahreszeugnisse benötigen Schüler:innen zusätzliche Lernunterstützung. Die meisten Stunden werden für das Fach Mathematik und den Sprachunterricht gebucht. Junge Menschen haben keine Berührungsängste mit digitalen Tools und können diese problemlos verwenden, um sich Lerninhalte anzueignen. Auch Eltern werden inzwischen deutlich stärker für die Vorteile digitaler Lernlösungen sensibilisiert. Denn Formate wie Online-Nachhilfe oder individualisierbare Übungsaufgaben der Studienkreis Nachhilfe-App bieten zahlreiche Vorteile: Sie sind zeitlich flexibler und ortsunabhängig, individualisierbar und steigern beiläufig die Digitalkompetenz von Schüler:innen.
Herausforderungen für EdTechs auf dem deutschen Markt
Die Nachfrage nach zusätzlicher Lernförderung ist da, es wird auch leichter für Start-ups, eine Finanzierung zu erhalten. Trotzdem ist die Entwicklung des deutschen EdTech-Marktes recht zurückhaltend. Warum ist es so schwierig, als Start-up den Markt zu erobern und daraus ein Milliardengeschäft zu machen? Schließlich werden im Schuljahr 2021/2022 rund 10,9 Millionen Schüler:innen an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie an Schulen des Gesundheitswesens in Deutschland unterrichtet. Und das sind nur potenzielle Kund:innen für EdTechs, die sich auf das Schulwesen konzentrieren.
Grund dafür ist zum einen, dass die Deutschen preissensibel sind, wenn es um den Bildungsmarkt geht. Sie sind es gewohnt, dass Bildung aus staatlicher Hand kommt und sie kaum etwas kostet. Zum anderen bildet die deutsche Bürokratie auch eine riesige Hürde für EdTechs. Der Bildungssektor ist stark reguliert, wodurch auch die Digitalisierung der Schulen nur sehr langsam vorankommt. Deutlich wird das unter anderem beim Digitalpakt Schule – den Bildungseinrichtungen wurden zwar rund 6,5 Milliarden Euro für die Digitalisierung zur Verfügung gestellt, bisher wurden aber gerade mal 2,4 Milliarden Euro ausgezahlt.
Dazu kommt, dass Start-ups und Initiativen im EdTech-Bereich - wie auch in allen anderen Bereichen - mit dem Ukrainekrieg und dessen Auswirkungen auf den Finanzmarkt kämpfen. Venture Capitals und Investor:innen schauen ganz genau hin, worin sie investieren und erwarten Profitabilität. Ebenso fehlt den Familien, die dringender denn je Unterstützung durch Nachhilfe oder andere digitale Lernangebote benötigen, aktuell das Geld durch die Inflation und die Energiekrise. Erst in den kommenden Jahren, wenn sich die wirtschaftliche Lage stabilisiert hat, wird sich herauskristallisieren, welche EdTech-Ansätze wirklich sinnvoll und nachhaltig skalierbar in der Nutzung sind und welche nicht – Letztere werden vom Markt verschwinden.
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