"Großes entsteht immer im Kleinen"
Saarbrücken, April 2014 - Die Nachfrage für Online-Lernen ist in Asien und Afrika enorm. Dort sind die Menschen hungrig nach Bildung - dies zeigen auch die Teilnehmerzahlen global angebotener Massive Open Online Courses (MOOC). Hier gehe es darum, überhaupt erst digitalen Content verfügbar zu machen, sagt Dr. Wolfgang Kraemer, Vorstandsvorsitzender der IMC AG. In reifen Bildungsmärkten läge der Fokus dagegen eher auf High-Quality Content.
Was zeichnet deutsche Anbieter gegenüber ihren Wettbewerbern im Ausland aus?
Dr. Wolfgang Kraemer: German Engineering macht auch in der Bildung Eindruck. Die deutsche Aus- und Weiterbildung hat international einen hohen Stellenwert. Was hier gesehen wird, sind die "deutschen Primärtugenden", die Liebe zum Detail und ein anderes Prozessverständnis für Personalentwicklung, als es zum Beispiel Anbieter aus Indien oder den USA mitbringen. Dass Produkte und Services aus einer Hand angeboten werden, schafft Stabilität, Nachhaltigkeit, Qualität und Sicherheit. Das wissen Kunden zu schätzen.
Was können deutsche eLearner vom internationalen Markt lernen?
Dr. Wolfgang Kraemer: Was in Europa weniger ausgeprägt ist, sind Entrepreneurship, Pragmatismus, Risikobereitschaft und Kreativität, hier sind uns andere Nationen weit voraus. Auch die klassischen Projektansätze haben ausgedient, denn diese gehen oft quälend langsam: 'Sich abstimmen', 'die anderen abholen', 'alle ins Boot holen' – deutsche Vokabeln, die eine Dynamik eher behindern. Stattdessen befördern agile Methoden wie z.B. SCRUM oder SAM die Entwicklung von disruptiven Geschäftsmodellen.
Wohin wird die Reise der nächsten Jahre im eLearning gehen?
Dr. Wolfgang Kraemer: Wir werden uns immer weiter in den Filmbereich entwickeln, bis hin zu spezialisierten Bildungskanälen – quasi als Telekolleg 2.0. Die Formate werden kleinteiliger mit höheren informellen Lernanteilen, die Lernzeiten wesentlich kürzer, aber deutlich intensiver. Mehrjährige Personalentwicklungsprogramme verlieren an Bedeutung, denn die Unternehmen wollen die Bildungsrendite selbst erwirtschaften und nicht die Talente für den nächsten Arbeitsgeber entwickeln. Mit der Verbreitung der MOOCs ändern sich auch die Prozesse: Die Lernangebote sind frei für alle verfügbar, Kosten entstehen erst mit dem Zertifikatsabschluss und nicht schon bei der Kursanmeldung. So entstehen neue Formen von Zertifizierung, Akkreditierung und Bildungsabschlüssen.
Durch welche Entwicklungen wird die Zukunft besonders getrieben?
Dr. Wolfgang Kraemer: Technologische Entwicklungen haben eine besondere Dynamik, wie wir es bei den Smartphones erlebt haben. Hier spielen 'Wearables' wie Brillen oder Armbänder als Verbindung zum Wissensspeicher dieser Welt eine zentrale Rolle. Doch auch gesellschaftlich tut sich viel: Der demografische Wandel, die Generation Y und die G8-Absolventen, die sich mit Anfang 20 im Unternehmen erst einmal Erfahrungswissen aneignen müssen. Die 50+, die ihre Leistungsfähigkeit mit gezielter Qualifizierung aufrechterhalten müssen. Auch die 30 bis 50jährigen brauchen eine gezielte Entwicklung. Daher glaube ich an ein Comeback der Corporate Universities, die praxis- und lebensnahe Curricula entwickeln – von Unternehmen und für Unternehmen und auch deren Kunden, aber zertifiziert durch international bekannte Universitäten.
Wie trägt die IMC AG zu dieser Zukunftsentwicklung bei?
Dr. Wolfgang Kraemer: Wir haben ein breites Portfolio mit mehr als sieben Geschäftsfeldern und bedienen weltweit unsere Kunden mit Produkten und Services für das lebenslange Lernen. Das Saarland ist (notgedrungen) ein guter Standort für die Internationalisierung, denn vor Ort gibt es quasi keinen Markt oder Entscheidungskompetenz in Unternehmenszentralen. Kunden müssen zwangsläufig außerhalb des Saarlandes gefunden werden. Der aktuelle Werbeslogan unseres Bundeslandes bringt es auf den Punkt: 'Großes entsteht immer im Kleinen'.
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