Bestandsaufnahme

ONLINE EDUCA Berlin 2009: Was hat eLearning gebracht?

Berlin, Dezember 2009 - (von Angelika Eckert) Einige Forscher behaupten, der Unterschied zwischen traditionellem Lernen und eLearning sei völlig unerheblich. Was hat also die jahrzehntelange Entwicklung von eLearning im Unternehmensumfeld verändert? Auf der ONLINE EDUCA Berlin stellten sich die drei eLearning-Experten Marc Niemes, vom australischen eLearning Verband, Laura Overton, Leiterin des britischen Unternehmens Towards Maturity und Dr. Gale Parchoma, Wissenschaftlerin der britischen Lancaster University die Fragen, was eLearning verändert hat und wo die Zukunft des Corporate eLearning liegen wird.




Marc Niemes, Vice President der eLearning Industry Association of Victoria konzentrierte sich auf die Zukunft des eLearning, die er klar in Australien und dem ostasiatischen Raum sieht. Hier würden mehr als 70 Prozent der künftigen eLearner auf passende Anwendungen warten. Diese seien zuvorderst mobiler Natur, da Satellitenverbindungen für Mobiltelefone weltweit verfügbar sind. Australien habe sich zu einer Nation des mobilen eLerarning entwickelt, so Niemes, denn fehlende und teure Breitband-Kapazitäten limitierten das Lernen über das Internet.

Für die Entwicklung qualitativ hochwertiger Lernanwendungen legt der Verband drei Kriterien zugrunde: Format, Content und Kontext. Als Format der Zukunft identifizierte die eLearning Association mobile Geräte. Der Verband geht davon aus, dass die Verbreitung von Smartphones in den nächsten Jahren exorbitant wachsen wird und das Mobilnetz fast überall verfügbar sei. Forschungsergebnisse hätten zudem erwiesen, dass 80 Prozent des Lernens ohnehin auf informellem Lernen basiere. Gerade mobile Endgeräte unterstützten nachhaltig die Kultur des informellen Lernens in einer zunehmend mobilen Arbeitswelt.

Marc Niemes ist überzeugt, guter Content muss Relevanz für den Lernenden haben: "Forschungen haben erwiesen, dass Lernende ohne weiteres auf Multimedia verzichten können, wenn Inhalte wichtig und die Motivation hoch genug sind." Auch eventuelle Unzulänglichkeiten mobiler Geräte würden nicht weiter ins Gewicht fallen, wenn die Motivation etwas zu lernen hoch genug sei, also der Kentext stimme.

"Australien hat gute Inhalte, von denen Lernende in Europa, Amerika und Asien partizipieren könnten", sagte der Vice President. Eine Herausforderung für die Zukunft sieht der australische eLearning-Verband allerdings in der Festlegung von "Instructional Design Standards". Hier wünscht man sich "down under" langfristig eine nähere Zusammenarbeit mit europäischen Institutionen.

Indikatoren für erfolgreiches eLearning


Laura Overton, Leiterin der Towards Maturity UK, arbeitet seit Jahren in der eLearning-Industrie, unter anderem für Unternehmen wie Smartforce. Sie erinnerte sich an die vielen Versprechen von eLearning, das Lernen zu revolutionieren, dem einzelnen Lerner mehr Entscheidungsbefugnis zu geben und Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Sie hinterfragte kritisch, welche Versprechen nicht eingelöst wurden, welche eingetroffen seien und warum manche Unternehmen bessere Resultate erzielten als andere.

Ein Benchmark-Test unter 600 britischen Unternehmen aus den Branchen Dienstleistungen, Finanzen, Gesundheit, Bildung, Informationstechnologie, Kommunikation und dem öffentlichen Sektor gab Auskunft über den heutigen Status des eLearning. Demnach setzen rund 72 Prozent aller Unternehmen eLearning noch recht halbherzig ein. Die Mehrheit der Unternehmen (42 Prozent) befindet sich in der Entwicklung. Laura Overton kommentierte etwas zugespitzt: "Dieser Status erstreckt sich manchmal über viele Jahre und bei manchen Unternehmen endet er nie."

Nur zehn Prozent aller Unternehmen haben eLearning durchgängig im Unternehmen eingebettet und eine Lernkultur etabliert, die das gesamte Alltagsgeschäft beeinflusst. Towards Maturity stellte fest, dass Unternehmen mit einer solchermaßen ausgereiften eLearning-Strategie von bedeutenden Leistungssteigerungen, großer Motivation unter den Mitarbeitern und geschäftlichen Vorteilen berichten könnten.

Als Top-Hindernis galt im Jahr 2004 noch die mangelnde technische Infrastruktur. 2006 waren es die Kosten für die Einrichtung. Heute dagegen haben Hindernisse immer etwas mit Menschen zu tun. Mangelndes Engagement der Mitarbeiter steht dabei ganz oben auf der Liste, gefolgt von einem Mangel an Wissen und Fertigkeiten einander zu verstehen und zuzuarbeiten. Technologen und Trainer wirken viel zu oft nicht mit- sondern gegeneinander, weil Ängste und Vorbehalte sie blockieren.

Was machen die ausgereiften Unternehmen besser? Sie halten sich laut Towards Maturity an einen definierten Prozess auf der Basis von sechs wesentlichen Aspekten:

  1. Bedürfnisse definieren. Dazu gehören Strategien, um Lerninhalte auf persönliche und geschäftliche Bedürfnisse auszurichten.
  2. Lernerkontext Lerninhalte sollten in einem Kontext angeboten werden, der sowohl Karrierewünschen wie Motivation zuträglich ist.
  3. Arbeitskontext. Damit ist die notwendige IT-Infrastruktur ebenso gemeint wie die Unterstützung des Managements und die Lernkultur im Unternehmen.
  4. Fähigkeiten heranbilden. Die Weiterbildungsabteilung befähigen, neue Strategien zu entwickeln und neue Wege für die Weiterbildung einzuschlagen.
  5. Engagement bewahren. Marketing- und Kommunikationsaufgaben wahrnehmen, um die Bedürfnisse der Lernenden, Managern und Weiterbildungsverantwortlichen anzusprechen.
  6. Wert herausstellen. Die geschäftliche Bedeutung herausstellen, indem man Feedback sammelt, den Erfolg misst und kommuniziert.

Towards Maturity benannte damit sechs relativ einfache Aufgabenfelder, die jedoch eine durchschlagende Wirkung erzielen. "Unternehmen, die sich an dieses Prozedere halten, ziehen dreimal so häufig Vorteile aus der Nutzung ihrer Lerntechnologien als andere", resümierte die eLearning-Expertin Laura Overton.

Zukunft verlangt genaue Definition


Die Überzeugung, Barrieren einzureißen zu müssen, teilte auch Dr. Gale Parchoma, Forscherin am Centre for Studies of Advanced Learning Technologies (CSALT) der Lancaster University. Die Vielfalt der philosophischen und technologischen Ansätze führe dazu, dass jeder, der mit eLearning zu tun habe, unter dem Begriff etwas anderes verstehe. Die Nutzung des singulären Begriffs "eLearning" erscheint ihr daher problematisch.

Parchoma differenzierte sechs verschiedene Schulen der Pädagogik, wie der Humanismus oder Behaviorismus sowie unterschiedliche technologische Ansätze. Um eLearning eine Zukunft zu geben, sei eine klare Definition erforderlich. Gegebenenfalls sollte eLearning durch Begriffe wie Technology Enhanced Learning (TEL), Computer-supported collaborative learning (CSCL), Blended Learning (BL) oder Networked Learning (NL) ersetzt werden. Eine größere Differenzierung würde letztlich für mehr Klarheit und Eindeutigkeit sorgen.