Forschungsprojekt

Mobil Learning an der FernUniversität in Hagen

Hagen, Juli 2010 - (von Prem Lata Gupta) Wenn es um Mobile Learning geht, ist die FernUniversität in Hagen ganz vorne dabei. Bereits 2002 begannen erste Versuche, in Studium und Lehre auch Handys oder PDAs mit einzubeziehen. Heute liegt der Fokus auf praxisorientierten Projekten, die mit konkretem Arbeitsalltag zu tun haben. Projektmitarbeiter Maciej Kuszpa: "Wir haben viel gelernt über Mobile Learning." Er nennt einige wichtige Kriterien, die ausschlaggebend sind für den Erfolg.




Die Fernuniversität Hagen hat für ihre eigenen Studierenden bereits sehr früh beim eLearning auch auf mobile Anwendungen gesetzt. Was ist daraus geworden? Ist dieser Schwung verpufft oder waren Sie Ihrer Zeit voraus?

Maciej Kuszpa: Da war in der Tat sehr viel Begeisterung im Spiel. Allerdings waren damals die technischen Möglichkeiten nicht so ausgereift wie heute, damit meine ich die Art der Endgeräte, Übertragungsgeschwindigkeiten, auch die Kosten für eine Internetverbindung lagen höher. Dann hat sich herausgestellt, dass sich nicht alles aufs Handy übertragen lässt, zum Beispiel sehr umfangreiche Skripte mit komplexen Abbildungen waren nur mühsam zu bearbeiten.


Aktuell arbeiten wir mit Insellösungen, etwa kleinen Tests in der Fakultät Wirtschaftswissenschaft. Die Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften nutzt bereits Moodle als Plattform, diese und das virtuelle Klassenzimmer Adobe Connect werden demnächst hinsichtlich mobiler Lernszenarien erprobt.

Interessanterweise hat sich ein neues Anwendungsgebiet für Mobile Learning aufgetan, nämlich Anwendungen im Unternehmen, für Auszubildende oder ganz bestimmte Berufsgruppen. Funktioniert das besser?

Maciej Kuszpa: Wir sammeln auf jeden Fall sehr wichtige Erfahrungen, denn die Nutzer sind klar definiert, ebenso die Inhalte oder das zu vermittelnde Wissenspensum. In der Forschungsgruppe Mobile Learning konzentrieren wir uns in einem Projekt, das vom BMBF gefördert und von Professor Dr. Claudia de Witt geleitet wird, seit Juni 2009 auf drei Anwendergruppen: Einmal Instandhaltungsmitarbeiter bei Daimler, dann Berufskraftfahrer einer Spedition und Auszubildende, die Elektroniker werden.

Drei Gruppen, die sich doch stark voneinander unterscheiden. Inwiefern sollen sie im einzelnen profitieren?

Maciej Kuszpa: Die Daimler-Mitarbeiter wurden früher zentral geschult, und zwar in Präsenzveranstaltungen. Heute soll das Lernen im Job, also im Prozess der Arbeit passieren. Das heißt, die Mitarbeiter sollen den Fehler an einer Maschine identifizieren und dazu auf ihrem Endgerät Schulungsinhalte gezielt abrufen können.


Im nächsten Schritt wäre es sinnvoll, wenn sie selbst Lerninhalte einpflegen könnten, sie also ihr wertvolles Wissen in Lernmodule umwandeln. Die dabei gesammelten Erfahrungen aus dem Praxiseinsatz übertragen und modifizieren wir auf die beiden anderen Zielgruppen und umgekehrt.

Musste der Content extra erstellt werden? Das ist aufwändig, oder?

Maciej Kuszpa: Bei Daimler wird ohnehin auf eLearning gesetzt. Das heißt, dort existiert bereits eine Menge Erfahrung, Lehrstoff multimedial aufzubereiten. Natürlich muss das noch ans mobile Endgerät angepasst werden. Dies bedeutet, dass didaktische Szenarien teilweise neu konstruiert werden, um einerseits die Besonderheiten - wie etwa die kleine Displaygröße - zu beachten und andererseits die Potenziale mobilen Lernens auszuschöpfen.

Berufskraftfahrer müssen ohnehin jedes Jahr eine Schulung durchlaufen, bei dem es um Sicherheit und Gesundheit geht. Sind die Speditionsmitarbeiter nicht dankbar, jetzt Leerzeiten sinnvoll füllen zu können?

Maciej Kuszpa: Ja und nein. Ehrlich gesagt wissen wir jetzt zunächst mehr über diese Berufsgruppe, ihren Arbeitsalltag und ihre Lerngewohnheiten. Wir wissen, dass sie beim Laden mit anpacken und dabei die Handys in der Hosentasche immer wieder leicht kaputt gehen. Deshalb schaffen sich Berufskraftfahrer oft nur sehr einfache Geräte an.


Überhaupt: Ein Mobiltelefon finden diese Nutzer etwas zu zierlich, um damit zu lernen. Sie bevorzugen eine andere Größe, beispielsweise ein Netbook. Aber wenn sie das im Führerhaus dabei haben, dann ist eben das Netbook oder der Tablet PC ihr mobiles Lernwerkzeug.

Das hört sich so an, als ob die Akzeptanz auch etwas mit dem Alter zu tun hat...

Maciej Kuszpa: Auf jeden Fall. Als besonders geeignete Zielgruppe erleben wir die Auszubildenden, die Elektroniker werden wollen. Sie sind mit dem Handy groß geworden. Das sind junge Menschen, die blitzschnell alle Funktionalitäten eines Mobiltelefons erfassen. Überraschend war dabei die tatkräftige Unterstützung der Berufsschullehrer, die Handys im Schulalltag oft als Störfaktor wahrnehmen.

Dies war also kein Problem und Handys dürfen jetzt offiziell benutzt werden?

Maciej Kuszpa: Die Nutzung der Handys bezieht sich weniger auf die Schule, sondern eher auf den Einsatz im Betrieb oder auf der Baustelle. Es ist ein Glossar hinterlegt, in dem etwa Symbole erklärt werden. Außerdem sollen die jungen Leute ein Lerntagebuch führen. In der Schule wird das Handy eingesetzt, weil es die Auszubildenden wie eine Art Notizblock benutzen, um dann im Unterricht noch offene Fragen zu klären.

Funktioniert das Lernen denn damit?

Maciej Kuszpa: Offensichtlich ja. Die jungen Leute haben sogar darum gebeten, das System um bestimmte Features zu erweitern. Sie wollen sich gegenseitig abfragen und sich Fragen zuschicken. Wir erleben da sehr viel Begeisterung. Aber dass Mobile Learning bei Auszubildenden von Anfang an flüssiger funktioniert, während Ältere oder andere Berufsgruppen als Elektroniker sich erst reinfinden müssen, ist für uns ebenfalls wichtig. Wir lernen von Betrieb zu Betrieb dazu.

Werden mobile Endgeräte andere Medien eines Tages komplett ablösen?

Maciej Kuszpa: Im Moment haben sie eine ergänzende Funktion. Mobile Learning - so unsere Schlussfolgerung - gelingt am ehesten, wenn die Nutzer jung sind, wenn sie motiviert sind und wenn es beim Lernstoff um standardisiertes Wissen geht. Aber die Zukunft wird vielleicht noch ganz anders aussehen. Die Entwicklung der letzten 40 Jahre war doch rasant: Wir erwerben unser Wissen nicht mehr nur aus Büchern, sondern lernen am Computer, suchen unsere Informationen im Internet.


Die nächste Stufe sind mobile Endgeräte. In 40 Jahren werden wir möglicherweise auch die nicht mehr nötig haben. Dann tragen wir einen Chip in uns, mit Übersetzungssoftware und allem Wissen, das wir brauchen, um unsere Arbeitsaufgaben zu lösen. Diese Vorstellung ist gruselig und faszinierend zugleich.

Wenn man von diesen Zukunftsvisionen absieht - worum wird es an der FernUniversität in Hagen bei den Mobile Learning Days 2010 gehen?

Maciej Kuszpa: Nach den beiden erfolgreichen Veranstaltungen in 2006 und 2009 möchten wir dieses Jahr im November Lehrende in wissenschaftlichen Einrichtungen und der beruflichen Aus-/ Weiterbildung, aber auch alle Interessierten an mobilen Bildungstechnologien zusammenbringen.


Ziel ist, den Erfahrungsaustausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern. Die Besucher erwarten verschiedene Vorträge, Podiumsdiskussionen, Workshops und eine Anbieter-Ausstellung. Quasi Mobile Learning zum Anfassen.