Disrupt Education

(Wie) Können etablierte Bildungsanbieter radikale Innovationen gestalten?

Dr. Ulrich Schmid
(c) mmb-Institut

Essen, Dezember 2018 - (von Ulrich Schmid, Geschäftsführer mmb Institut GmbH) Disruption findet zunehmend auch im Bildungsmarkt statt. Vor allem im und für den non-formalen Bereich, den privaten Weiterbildungs- oder schulischen "Nachmittagsmarkt". Die bekannteren "Angreifer" heißen zum Beispiel Udacity, Udemy, Coursera, edX, KhanAcademy, Google Square oder Degreed - und kommen zumeist aus den USA. Aber selbstverständlich gibt es auch in Deutschland Beispiele.

  • The Simple Club: kostenlose Online-Nachhilfe (auf YouTube), die genau dann da ist, wenn man sie braucht und den Kids obendrein noch Spaß macht.
  • Oder ReDi School: Kostenlose, aktuelle und fachlich hochwertige IT-Qualifizierung für Migranten auf einer von der einschlägigen Industrie getragenen Plattform - .
  • Fobizz: Online Fortbildung für Lehrkräfte in den aktuellen Digital- und Didaktik-Themen.
  • Oder StudyDrive: Klausuren und Lernunterlagen, Skripte und Dokumente von Studierenden für Studierende mit inzwischen fast 650.000 Nutzern (also fast einem Viertel aller Studierenden in Deutschland).

In all diesen Produktsegmenten gibt es (noch!?) gut etablierte Bildungsanbieter: etwa Hochschul-Institute mit ihren eigenen Plattformen, oder staatliche Einrichtungen für Lehrerfortbildung, Nachhilfeinstitute, oder eben auch berufliche Weiterbildungsanbieter. Vieles spricht jedoch dafür, dass sie – jedenfalls in bestimmten Produktbereichen - künftig sehr ernste Konkurrenz von neuen, radikal (end-)kundenorientierten und agilen Startups bekommen. Derartige "Angreifer" teilen zumeist drei Merkmale:

  1. Sie kommen zumeist aus dem Niedrigpreissegment
  2. mit einem nahezu identischen Leistungsangebot
  3. und bieten obendrein ein Plus an Einfachheit/Bequemlichkeit.
     

Disruptoren setzen an den Mängeln an und kennen auch die "geheimen" Kundenwünsche

Der entscheidende Punkt ist jedoch: Angreifer setzen naturgemäß an den Schwächen eines etablierten Angebots an: also an Punkten, die von Kunden als unbefriedigend, umständlich oder "nervend" wahrgenommen werden. Dabei geht es natürlich oft um den Preis, häufig aber auch um mangelnden Service, fehlende Flexibilität, fragliche Qualität, schlechte Didaktik usw.   

Anders als etablierte Anbieter fokussieren sie dabei ganz klar auf die Erfüllung der Kundenwünsche. Diese kennen sie idealerweise aus eigener Erfahrung, oder sie analysieren sie durch Kundenbefragungen und Beobachtungen (v.a. auch durch eingehende Datenanalysen). Sie operieren also nicht nach dem Bauchgefühl und spekulativ, sondern in der Regel empirsch. Häufig geht es ihnen darum, bestimmte Teile einer Wertschöpfungskette überflüssig zu machen und die dadurch frei werdende Gewinnmarge ihrerseits für Qualitätsverbesserungen einzusetzen (das betrifft oft etablierte "Vermittler" wie z.B. Verlage, Buchhandel oder Schulungseinrichtungen).

Kurzum: Disruptoren erfüllen mit großer Entschiedenheit genau die Kundenwünsche, die von etablierten Anbietern entweder (zu) wenig wahrgenommen oder als unerfüllbar bezeichnet werden.

 

Wie können etablierten Bildungs-Unternehmen und Einrichtungen (re-)agieren?     

Bestehende Anbieter müssen (und dürfen) diesen Entwicklungen nicht nur zuschauen - und sie tun dies in der Regel heute auch nicht mehr. Kaum ein öffentliches oder privatwirtschaftliches Bildungsunternehmen, das nicht damit begonnen hat, digitale Strategien zu entwickeln und zumindest einzelne Angebotssparten inhaltlich, prozessual oder didaktisch zu erneuern. Aber reicht das aus? Steht tatsächlich zu erwarten, dass sich zum Beispiel eines der großen beruflichen Weiterbildungsunternehmen oder eine der vielen Volkshochschulen hierzulande künftig zum Digitalen Bildungs-"Rockstar" mausert? Wohl kaum. Denn dafür fehlen ihnen vor allem drei Eigenschaften:

  1. Es mangelt ihnen häufig an einer radikalen Innovations-Idee und Phantasie, einem überzeugenden Leitbild oder "Narrativ" für ihr Innovationsprojekt. Denn dieses sollte sich in wesentlichen (Vor-)Teilen klar vom Bestehenden absetzen, um als wirklich neu und disruptiv wahrgenommen zu werden.
  2. Es fehlt ihnen in aller Regel auch eine genaue Kenntnis ihrer Kunden, sowohl was deren Wünsche und Motive angeht, als auch im Blick auf ihre individuellen Interessen, Qualifikation, Bedarfe, Ressourcen, Verhaltensweisen, Gewohnheiten usw. Dazu kommt fehlendes Wissen über potenziellen Startups, Invests und Angreifer in ihren jeweiligen Märkten.
  3. Schließlich fehlt den etablierten Unternehmen dann meist auch der (unternehmerische) Mut, die Konsequenz und manchmal auch die Kompetenz, um disruptive Produkte oder Geschäftsmodelle innerhalb oder (besser) außerhalb der eigenen Organisation und Strukturen umzusetzen.

 

Wie kann das mmb Institut dabei unterstützen, disruptive Innovationen zu realisieren?

Kein Experte, auch kein externer "Berater", kann Bildungsunternehmen die Herausforderung abnehmen, die eigene Unternehmenskultur auf Innovation, Wandel oder Disruption einzustimmen. Das ist die primäre Aufgabe der jeweiligen Unternehmensführung bzw. der Führungskräfte. Allerdings weiß man inzwischen, dass dies besser nicht im "Hau Ruck" Verfahren - womöglich verbunden mit Untergangsszenarien - erfolgen sollte. Hilfreicher ist es hingegen, die eigene Belegschaft von vornherein "mit auf die Reise" zu nehmen, sie vielfältig zu beteiligen und zu motivieren, anstatt Ängste, und damit Abwehrreaktionen hervorzurufen.

Wenn es freilich um die Entwicklung geeigneter Innovations-Strategien, Produktoffensiven oder Unternehmensgründungen geht, kann und sollte an folgenden Stellen angesetzt werden:

  1. Systematische Markt- und Wettbewerber-Analyse: wobei der Schwerpunkt vor allem auf die bereits im jeweiligen Marktsegment agierenden Startups und VC-Investitionen gelegt werden sollte, sind diese doch wichtige Indikatoren für relevante Entwicklungen und potenzielle Disruption.
  2. Empirische Kunden- und Produktanalysen: Systematische Kundenbefragungen, Fokus-Gruppen und Beobachtungen sind eine unerlässliche Grundlage für jede Art von kundenzentriertem Innovationsprozess. Dabei muss es insbesondere darum gehen, vermeintlich wirklichkeitsferne Wunsch- und Idealvorstellungen aufzugreifen und zu analysieren.
  3. Datenanalysen: Eine ebenfalls unverzichtbare Komponente stellen Datenanalysen (z.B. Auswertung von Logfiles, Nutzerdaten, Userprofilen etc.) dar. Beispielsweise im Hinblick auf Kundentypologie, Lernverhalten, Lernerfolg, Kompetenzprofile usw.
  4. Disruptionsmodelle: Hier geht es um eine systematische Analyse und Auswahl möglicher disruptiver Ansätze und Geschäftsmodelle, die sich möglichst radikal von den etablierten Angeboten unterscheiden sollten bzw. diese herausfordern sollten (Motto: "Kill your Company").
  5. (Rapid) Prototyping: Vor der tatsächlichen Umsetzung neuer Produktkonzepte haben sich im Startupbereich unterschiedliche Test- und Evaluations-Verfahren etabliert, die unter dem Begriff des "Rapid Prototypings" zusammengefasst werden können: Kurze, intensive Entwicklungs-Sprints zu wesentlichen Produkteigenschaften, die anschließend einem intensiven Reviewprozess unterzogen und weiter entwickelt werden.
  6. Make or Buy: Etablierte Bildungsanbieter können disruptive Entwicklungen entweder selbst umsetzen, indem eigene Entwicklungs- und Vermarktungs-Teams aufgebaut werden, oder sie investieren in externe Unternehmen oder Partner, möglicherweise tun sie auch beides. Diese Entscheidung sollte immer auf Basis einer genauen Potenzialanalyse erfolgen, denn häufig werden Aufwand, Risiken und langfristige Folgen einer "Do It Yourself" Strategie deutlich unterschätzt.
  7. Organisationsentwicklung und Coaching: Je nach dem, welche Strategie ein Unternehmen einschlägt, verbinden sich damit unterschiedliche Herausforderungen für die Organisation und das Change-Management. Dabei stellt sich u.a. die Frage, ob und in welcher Form das "Neu-Geschäft" mit dem existierenden Traditionsgeschäft verbunden werden kann und wie z.B. neue, agile Prozesse und Mitarbeiterteams eingebunden werden (können).

Jenseits der Bildungsbranche konnten sich inzwischen mehrere Beratungsunternehmen etablieren, die solche oder ähnliche Services für Versicherungen und Banken, Pharmaunternehmen oder Maschinenbauer usw. anbieten und zusammen mit ihren Kunden erfolgreiche - manchmal freilich auch gescheiterte - Innovationsprojekte realisieren. Angesichts des hohen Innovationsdrucks gerade im Bereich Education Technology ist in Zukunft davon auszugehen, dass auch Bildungsanbieter und Unternehmen stärker professionelle und branchenerfahrene Strategie-Beratung nachfragen werden. Das mmb Institut wird diese Entwicklungen daher nicht nur - wie bisher - genau analysieren, sondern künftig auch, strategisch wie praktisch, Unternehmen dabei unterstützen, vom Digital Turn zu profitieren.