desktop4education

Open Source macht in Österreich Schule

Wien/Graz, November 2009 - Im Rahmen des Projekts desktop4education soll künftig der IT-Unterricht in den Schulen Österreichs verstärkt und alternativ mit Open-Source-Programmen abgedeckt werden. Um den Schülerinnen und Schülern den Einstieg zu erleichtern, wird in den Bildungseinrichtungen eine erweiterte und besonders angepasste Version des OpenOffice-Video-Trainings des Produzenten video2brain genutzt.




Eingesetzte Produkte: OpenOffice-Video-Training



"Lebensbegleitendes Lernen" lautet der Leitgedanke des EU-Aktionsplans i2010. Der Einsatz von Medien und Informationstechnologien soll diesen bestmöglich unterstützen und ergänzen. Die Grundlagen dafür werden bereits im Schulunterricht geschaffen.


Daher hat das österreichische Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) das Projekt desktop4education (d4e) unterstützt und gefördert und für die Schülerinnen und Schüler in Österreich einen Arbeitsplatz entwickelt, der ausschließlich quelloffene Programme verwendet. Die Vision: Ein landesweites Open-Source-Bildungsnetzwerk mit dem der IT-Unterricht von den Volksschulen bis hin zu den Höheren Schulen abgedeckt werden kann.


Der lizenzfreie Schüler-Desktop wird auf einer DVD vertrieben und kann von Schülern, Lehrern sowie Eltern kostenlos verwendet werden. "Bisher haben wir 8.500 DVDs an 300 Schulen ausgeliefert", berichtet Prof. Bernd Steiner von der Höheren technischen Bundes- Lehr- und Versuchsanstalt Graz-Gösting (BULME). Damit werden im Augenblick zwar nur rund sieben Prozent der potenziellen Zielgruppe erreicht. "Die Tendenz ist aber stark steigend, da wir versuchen, ganze Bundesländer im Pflichtschulbereich zu migrieren", erläutert der Mitinitiator des Projekts.


Schüler-Desktop auf Linux-Basis



Der Arbeitsplatz basiert auf openSuse Linux als Betriebssystem und dem Office-Paket Openoffice.org und StarOffice 8, der von Sun Microsystems entwickelten Profi-Version der freien Software OpenOffice.org, die unter anderem Programme zur Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Erstellung von Präsentationen, Datenbanken und die dazugehörigen Trainingsunterlagen enthält.


Dazu kommt eine ganze Reihe weiterer schultypischer Anwendungen. Durch das moderne Betriebssystem ist sowohl eine Integration in vorhandene Infrastrukturen (z.B. Windows, Netware, Linux) als auch der Aufbau komplett neuer Netzwerke in den Bildungseinrichtungen leicht möglich.

Die Etablierung von Open-Source-Lösungen an Österreichs Schulen bildet einen wesentlichen Schwerpunkt im Rahmen der Initiative FutureLearning des BMUKK. Diese eLearning- und eGovernment-Initiative fördert seit 2000 IT-Projekte und eBildungsmaßnahmen für das österreichische Schul- und Bildungswesen.


Entwickelt wurde der Schüler-Desktop vom "Content Cluster Süd", einem Zusammenschluss von Lehrern, zu denen auch Prof. Bernd Steiner gehört, unter der Federführung von Mag. Helmuth Peer. "Unser Ziel ist es ganz klar, innovative und günstige Alternativen zu Microsoft zu schaffen", erklärt er die Entscheidung für Open-Source-Programme. Auch die Kosteneinsparung, die sich selbst bei kostengünstigen Schullizenzen von Microsoft Office auf mehrere tausend Euro pro Schule beläuft, sei ein nennenswertes Argument für lizenzfreie Software. Prof. Steiner: "Darüber hinaus ist es unser Anliegen, den Jugendlichen von vorneherein beizubringen, auf offene Standards und webbasierte Lösungen zu setzen."


Das sieht auch Dr. Robert Kristöfl so, der sich als IT-Leiter und Ministerialrat im BMUKK für die Initiative einsetzt: "Primär geht es hierbei um eine umfassende Ausbildung der Schüler, damit die Unterrichtsziele bestmöglich erreicht werden." Ziel ist es, dass die Schüler fundierte Kenntnisse in den Bereichen Textverarbeitung und Tabellenkalkulation erlangen. Dafür wählen sie aus gängigen Produkten verschiedener Hersteller - eine Monopolausrichtung sei nicht zielführend.


Open-Source-Angebote stellen hierbei attraktive Alternativen dar, die in Zukunft verstärkt zum Einsatz kommen sollen. Der Umstieg in den einzelnen Schulen erfolgt dabei auf freiwilliger Basis. Gleich nach dem Startschuss im September 2006 stieß das Projekt bereits auf großes Interesse. So war die von Sun Microsystems Österreich zur Verfügung gestellte Erstauflage von 2.000 Installations-DVDs innerhalb weniger Tage vergriffen. Seitdem hat das IT-Unternehmen schon mehrere tausend Silberscheiben nachproduzieren müssen.


Die Installation von d4e auf allen Client-Rechnern in Österreichs Schulen soll aber nicht der einzige Schritt der Open-Source-Initiative bleiben. "Wir wollen Open Source auch in den pädagogischen Hochschulen etablieren, um schon die angehenden Lehrer damit vertraut zu machen", erklärt Kristöfl die weitere Vorgehensweise.


Auf dieser Grundlage kann dann auch ein dreistufiges Support-System realisiert werden - von den Lehrern an der Schule über regionale Cluster bis hin zu den beteiligten Unternehmen. Die langfristigen Ziele beinhalten standardisierte Lernplattformen, Contentportale und verschiedene Breitbandservices. Für gesicherte und einheitliche Zugänge ist in Hinkunft auch die edu.card als elektronischer Schülerausweis verwendbar.


Video-Training vermittelt Grundlagen



Um den Schülerinnen und Schülern die Grundlagen des OpenOffice-Pakets optimal zu vermitteln, greift die Initiative auf eine erweiterte und an den Lehrplan besonders angepasste Version eines Lehrvideos des international tätigen Produzenten von Online- und DVD-Video-Trainings video2brain zurück und stellt es im Bundle zusammen mit dem desktop4education zur Verfügung.


"Dieses Lehrprogramm ist für den Einsatz an den österreichischen Schulen lizenziert und wurde vom BMUKK finanziert sowie von SUN gesponsert", berichtet Geschäftsführer Gerhard Koren.


Die didaktisch erprobten Video-Trainings des Unternehmens mit Stammsitz in Graz basieren auf einem einfachen Konzept: Namhafte Experten, bekannte Autoren und zertifizierte Trainer vermitteln Wissen aus erster Hand - bei Aufbereitung, Struktur und Produktion sorgt das Unternehmen für ein professionelles Ergebnis und stellt zusätzliches Lehrmaterial zu den bewegten Bildern zur Verfügung.


Dazu zählen zum Beispiel Zusammenfassungen, die ebenso wie die verwendeten Rohdaten auch ausgedruckt werden können, und ein Multiple-Choice-Quiz für jedes Lernkapitel, um den persönlichen Lernerfolg zu überprüfen. Dadurch sei eine individualisierte Unterrichtsgestaltung möglich.


"Auf video2brain sind wir gekommen, weil das OpenOffice-Paket eine der wesentlichen Applikationen unseres Schul-Desktops ist", so Prof. Steiner. Ein weiteres Argument für die Zusammenarbeit sei die Betriebssystemunabhängigkeit der Lehrvideos gewesen. Die DVDs von video2brain funktionieren plattformübergreifend unter Linux, Windows oder Mac OS X und es ist keine Installation notwendig.


"Die Video-Trainings bilden eine optimale Ergänzung zum Unterricht und helfen sowohl dabei, Inhalte anschaulich zu vermitteln als auch das Gelernte zu vertiefen", so Prof. Bernd Steiner. Er ist davon überzeugt, dass diese Form der Wissensvermittlung absolut in den Zeitgeist passt. "Die jetzige Schülergeneration wird meiner Ansicht nach eine YouTube-Gesellschaft." Und video2brain treffe mit seinen Lernvideos genau den Nerv der Jugendlichen.


Individuelle Lerninhalte aus dem Web



Auch die Video-Trainings im Bundle mit dem desktop4education stoßen in den Klassenzimmern auf volle Akzeptanz. Neben der Aktualität der behandelten Inhalte und dem didaktischen Konzept kommen auch die für das jeweilige Thema eingesetzten Experten in den Filmen bei den Schülerinnen und Schülern gut an. "Unsere Erfahrungen zeigen, dass sie gerne im Unterricht mitmachen und die DVD als persönlichen Trainer nutzen, um Lektionen nachzuarbeiten, wann immer sie möchten", sagt der Pädagoge.


Er sieht hier einen enormen Vorteil, da viele Jugendliche es vermeiden, bei Problemen ihre Lehrer oder Mitschüler um Rat zu fragen: "Sie haben Angst davor, sich die Blöße zu geben, zuzugeben etwas nicht sofort verstanden zu haben." Bei dem Trainer auf der Silberscheibe existiere diese Hemmschwelle dagegen nicht. Das BMUKK sieht das Video-Training als ein unterstützendes Medium für die Aus- und Weiterbildung mit großem Potenzial für die Zukunft. Hiermit werde den Schülerinnen und Schülern das Wiederholen und selbstständige Erarbeiten von Lerninhalten deutlich erleichtert.

Prof. Steiners Vision von eLearning an Österreichs Schulen ist klar definiert. "In einigen Jahren wird es als Medium dafür keine DVDs mehr geben", ist er überzeugt. Dann bekommen die Schüler nur noch einen Freischaltcode für ein webbasiertes Video-Training und können so noch flexibler arbeiten. Prof. Steiner: "Zudem bieten diese Lernprogramme durch ständige Updates eine Aktualität, die ein klassisches Lehrbuch nicht leisten kann".


Bis zur flächendeckenden Umsetzung eines einheitlichen Bildungsnetzwerks mit offenen Programmen und begleitenden Video-Trainings sei es allerdings noch ein langer Weg: "Aber die Weichen haben wir bereits gestellt".


Weltweit einzigartiges Projekt


Open Source macht allerdings nicht nur in Österreich Schule. Im Rahmen der "Sun Academic Initiative" (SAI) stellt das IT-Unternehmen weltweit allen Schulen, Hochschulen, Forschungs- und öffentlichen Weiterbildungseinrichtungen StarOffice 8 kostenlos zur Verfügung. Auch die Medienberatung NRW in Deutschland bietet in Abstimmung mit einzelnen Anbietern den Schulen Open-Sorce-Programme an. Allerdings nicht im Rahmen eines flächendeckenden Projekts wie desktop4eduction in Österreich. Diese Initiative ist in dieser Form bisher einzigartig.


"Wir stellen unser Konzept immer wieder in anderen Ländern bei Veranstaltungen und Vorträgen vor", verrät Ministerialrat Dr. Robert Kristöfl vom BMUKK in Wien. Das Interesse sei dabei im EU-Raum recht groß. "Wir haben festgestellt, dass es für die Jugendlichen, die nicht an Windows gewöhnt sind, überhaupt kein Problem ist, auf der Basis von Linux zu lernen", berichtet Prof. Bernd Steiner aus der Praxis.


Es gäbe eigentlich nur einen Grund, warum Windows bei den Jugendlichen heute immer noch so populär sei: "Das sind die für dieses Betriebssystem angebotenen Computerspiele".