Schulentwicklungsprozess

Lernplattformen: Es hapert bei der praktischen Umsetzung

Neuenstein, September 2018 - Das Konzept der vor sechs Jahren eingeführten Gemeinschaftsschule Baden-Württemberg (GMS) sieht die Nutzung einer Lernplattform vor. Eine Bestandsaufnahme von Matthias Wagner-Uhl, Schulleiter und Vorsitzender des Vereins für Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg e.V.

Welche Bedeutung hat der Einsatz einer Lernplattform innerhalb des Gemeinschaftsschul-Konzepts?

Matthias Wagner-Uhl: Lernplattformen sind für alle Lehrkräfte und an allen Schularten sinnvoll, die das leisten, was Schule heute und in der Zukunft bieten muss – nämlich einen gelingenden Umgang mit Diversität. Für die GMS ist dies Programm. Deshalb nutzen viele, aber doch noch nicht alle diese Schulen Lernplattformen oder auch Learning-Management-Systeme (LMS) mit erweiterten Team- und Kommunikationsfeatures.

Wie sah die praktische Umsetzung dieses Ansatzes aus?

Matthias Wagner-Uhl: Die GMS-Gemeinde hat sich ab dem Start der ersten 42 Starterschulen vor sechs Jahren eine landesweit entwickelte und zentral gepflegte LMS-Plattform gewünscht, um die herausforderungsreiche Arbeit der Lehrkräfte und der Schulverwaltung zu unterstützen. Hier standen zu Beginn vor allem der Austausch, die geeignete Bevorratung und die Qualitätskontrolle von Lehr- und Lernmaterialien im Mittelpunkt. Später wünschte man sich dann auch Systeme zur Kollaboration und zur Projektsteuerung, um die notwendigen Schulentwicklungsprozesse elektronisch besser abbilden zu können. Hinzu kamen Wünsche zur Lernstandsverwaltung, Diagnose von Lernständen, Kommunikation mit Eltern oder der Abbildung von Verwaltungsvorgängen wie etwa der Druck von Lernentwicklungsberichten, Kompetenzrastern etc.

Allerdings hat das Land bis heute nur wenige Elemente einer solchen Plattform realisiert, obwohl die Forderungen seitens der GMS-Community sehr deutlich waren. Das Landesinstitut für Schulentwicklung hat noch auf einen Auftrag von Andreas Stoch zurückgehend (Kultusminister in der zurück liegenden Legislaturperiode, Anm. d. Red.) eine solche Plattform in Zusammenarbeit mit den Schulen, unter anderem auch unserer Schule in Neuenstein, auf der Basis von Moodle entwickelt. Der derzeitige Status, die Leistungsfähigkeit und die Grundideen sind hier zusammengefasst.

Sie klingen damit nicht ganz so glücklich?

Matthias Wagner-Uhl: Leider weist dieses System in mancherlei Hinsicht eine gewisse Schwergängigkeit auf, die die Nutzung bisweilen mühsam macht. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass komplexe Systeme eben leider auch oft komplex in der Handhabung sind - vor allem wenn wenig Geld zur Verfügung steht oder genau genommen zur Verfügung gestellt wird und das User-Interface deshalb nicht entsprechend angepasst wird.
SAP bräuchte aus meiner Sicht für die Umsetzung einer derartigen Plattform vermutlich nur gut ein halbes Jahr. Leider wurde die Zusammenarbeit mit dem Land hier wieder eingestellt. Die Kosten waren wohl ein Grund, zudem darf das Land wohl nicht mit einem Anbieter "einfach so" zusammenarbeiten.

Wie finden die einzelnen Schulen dennoch ihren Zugang zu dem Thema?

Matthias Wagner-Uhl: Jede Schule pflegt hier leider ihre Vorlieben. Dies auch, weil oft viel Energie in Eigenentwicklungen, die durchaus sehr sehenswert sind - beispielsweise DiLer - gesteckt wurde. Wesentlich sinnvoller wäre es aber, ein gemeinsames System zu entwickeln, das dann alle im System arbeitenden Menschen bedienen und nutzen können. Zurzeit bietet der Markt eine schier unüberschaubare Zahl von Lösungen oder Teillösungen für das Aufgabenportfolio an den Schulen. DiLer hat eine gewisse Akzeptanz, es gibt aber auch viele KollegInnen, die hier gerade wieder aussteigen.

Wie steht es denn insgesamt um die Akzeptanz der Gemeinschaftsschulen bei der Verwendung von Lernplattformen?

Matthias Wagner-Uhl: Alles was funktioniert, Arbeit erleichtert und von einem fähigen Administrator gepflegt wird, findet Akzeptanz, auch in Teilbereichen wie z. B. das Schreiben und der Ausdruck von Lernentwicklungsberichten. Doch viele Schulen arbeiten nach wie vor nur mit Teilelementen von LMS, dies vor allem, weil die Vor-Ort-Ausstattung mit geeigneten digitalen Endgeräten viel zu schlecht ist. Insofern gibt es wohl grundsätzlich eine hohe Akzeptanz von LMS-Systemen, aber es hapert gewaltig bei der praktischen Nutzung. 

Typische Probleme beim Aufsetzen einer Lernplattform – Impulse aus der Praxis

• Mangel an verfügbaren bzw. geeigneten digitalen Endgeräten für alle Nutzer

• Fehlen von geeigneten ausgebildeten Administratoren

• Fehlende Fortbildungsangebote

• Gewisse "Verpflichtung" für die Nutzung

• Teilweise zu wenig geeignete Lehr- und Lernmaterialien, die in die Plattform eingebunden werden könnten

• Keine wirklich umfassend geeignete Plattform zur Verfügung

• Zu guter Letzt: Fehlende personelle Ressourcen an den Schulen.

Matthias Wagner-Uhl ist Leiter einer Starter-Gemeinschaftsschule und Vorsitzender des Vereins für Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg e.V.