Aus- und Weiterbildungsqualität für Biobauern
Oreira/Duisburg-Essen, November 2011 - (von Prem Lata Gupta) Die EU will den Biolandbau fördern - unter anderem weil er Böden schont und auch Gewässer weniger belastet als konventionell betriebene Landwirtschaft. "Doch bisher gab es keine zertifizierte Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich", erklärt Cornelia Helmstedt von der Universität Duisburg-Essen. Diese Lücke soll durch CerOrganic geschlossen werden. CerOrganic ist ein multilaterales Projekt, das von der Europäischen Kommission gefördert wird.
Partner in dem Konsortium ist auch EFQUEL, die Europäische Stiftung für Qualitätssicherung im eLearning. Cornelia Helmstedt, deren Fachbereich Wirtschaftsinformatik der Produktionsunternehmen der Universität Duisburg-Essen in einigen Forschungsprojekten mit EFQUEL kooperiert, berichtet über den Status des Projekts.
Niemand assoziiert mit der landwirtschaftlichen Aus- und Weiterbildung den Einsatz von eLearning oder Blended Learning. Wie war denn überhaupt die Ausgangssituation?
Cornelia Helmstedt: Zunächst haben wir den Schulungsbedarf analysiert, allgemein und in den einzelnen Ländern. Es war wichtig zu erfahren, was es überhaupt an Lehrmaterialien bereits gibt zu diesem Thema. Das Ergebnis sah so aus, dass wir nicht bei Null anfangen mussten, allerdings ist die Situation in den europäischen Ländern sehr unterschiedlich: Österreich ist ziemlich weit vorn, was Biolandbau angeht. Die Ausbildung der Landwirte ist dort qualitativ hochwertig, auch an den Universitäten gibt es Lehrveranstaltungen zu Biolandbau. Bei den Griechen sieht das sehr viel anders aus. Was für alle galt: Es gab kein einziges internationales Zertifikat.
Wollen Bauern denn lernen, dazu noch webbasiert?
Cornelia Helmstedt: Absolut. Die Nachfrage nach unserem Pilottraining war größer als unsere Kapazitäten. Zum Konzept des Trainings gehört ein Online-Anteil. Die Präsenzphase fand im Rahmen einer Summer School im griechischen Chania statt. Diese erste Weiterbildungsmaßnahme richtete sich in erster Linie an Bioberater, um von Anfang an Multiplikatoren für das Projekt CerOrganic zu haben.
39 Trainees aus acht europäischen Ländern waren dabei. Zu dieser Gruppe gehörten dann letztlich doch eine Reihe Praktiker, also Landwirte im herkömmlichen Sinn. Die fanden Begriffe wie Evaluierung und Validierung ziemlich akademisch. Mancher musste auch sanft an den Rechner herangeführt werden. Aber das Tolle war die Begeisterung und das Interesse an der Sache. Auch die Hilfsbereitschaft und der internationalen Austausch unter den Bioberatern und Praktikern fanden großen Anklang.
Was war denn die größte Herausforderung?
Cornelia Helmstedt: Eben ein Training zu konzipieren, das für alle passt. Zwar ist Schädlingsbekämpfung oder Intercropping für jeden Landwirt ein wichtiges Thema. Aber während viele Schädlinge in Mitteleuropa einen harten Winter wegen der Kälte nicht überstehen, braucht der griechische Bauer auf diesen Effekt nicht zu hoffen. Die Österreicher haben übrigens wegen ihres Wissensvorsprungs eine eigene Variante des Train-the-Trainer-Programms entwickelt, Bioberater, die am internationalen Training teilgenommen haben, bilden als Multiplikatoren österreichische Bioberater aus und sorgen so für eine Verbreitung von CerOrganic. Was schön ist: Sie geben auch gerne ab. Innerhalb kürzester Zeit sind Kontakte nach Russland entstanden und Lehrmaterialien längst übersetzt und dorthin entsandt.
Wie ist die weitere Vorgehensweise?
Cornelia Helmstedt: Die Teilnehmer der Pilotmaßnahme haben zum Abschluss Prüfungen gemacht. Auch haben sie regelrechte Bildungsszenarien für Lehrstoff entwickelt, etwa zum Thema Tomaten. Die nun erstmals geschulten und geprüften Agrarberater werden demnächst in ihren eigenen Ländern Trainings abhalten. Zum Beispiel in Ungarn ist dies schon passiert. Anschließend sollen die Bauern, die daran teilgenommen haben, befragt werden. Wir brauchen auch das Feedback der Endnutzer, um sicherzustellen, dass wir inhaltlich und didaktisch richtig liegen.
Das ursprünglich entwickelte Curriculum für die Trainer beinhaltet auch die Entwicklung von eLearning-Designs und den Einsatz von Blended Learning. Steht bisher nicht der Präsenzunterricht im Vordergrund?
Cornelia Helmstedt: Die Österreicher setzen bereits auf Blended Learning. Bei unserem Pilottraining ging es für manche Teilnehmer tatsächlich um Basics wie Internetrecherche. Andere waren ein wenig misstrauisch, weil sie sich noch nie im Web irgendwo angemeldet hatten. Aber über diesen Punkt sind wir längst hinaus. Die Lernplattform, die wir ursprünglich eingerichtet haben, wird ausgiebig zur Kommunikation und Interaktion genutzt - auch jetzt noch, nachdem das Training abgeschlossen ist, tauschen sich die Teilnehmer aus und schicken sich Informationen.
Trotzdem wollen Sie außerdem Content online stellen, um ein ständiges intereuropäisches Angebot zu starten. Das ist doch auch eines der Ziele von CerOrganic?
Cornelia Helmstedt: Ja, das ist so. Aber vieles passiert schrittweise. Unter anderem wollen wir noch die Ländertrainings und deren Validierung abwarten. Aber es ist bereits ein neues Webportal in Vorbereitung. Dort soll hochwertiges Lehrmaterial in unterschiedlichen Sprachen zur Verfügung stehen. Und wir erweitern die Features, damit noch viel mehr Community möglich ist als bisher.
Ziel ist ein innovatives Ausbildungsprogramm, das viele Aspekte berücksichtigt: Zertifizierung und damit eine gesicherte Qualität. Eine wichtige Rolle spielt dabei, länderspezifische und regionale Bedürfnisse zu berücksichtigen, um die Adressaten auch wirklich zu erreichen. Darüberhinaus fördert CerOrganic die Vernetzung von Agrarberatern und Biolandwirten auf europäischer Ebene.