Die eLearning-Branche sanft auf die Digitalisierung vorbereiten
Wien, Juli 2018 – Unter dem Motto "Life is a change request" entwickelt "MacSchneider" Konzepte für Unternehmen, die ihre Digitalisierung mit passenden Lernprojekten würzen möchten. Und er setzt sie auch um. Im Interview spricht CEO Johannes Schneider darüber, wie sich Lernprojekte agil gestalten lassen und dass ein gutes eLearning Projekt niemals fertig wird. Johannes Schneider hat "MacSchneider" 2018 gestartet. Er ist ehemaliger Geschäftsführer der Know How! GmbH in Wien, Instructional Design Experte und wurde mit der von ihm gegründeten Webducation GmbH "Anbieter des Jahres 2013".
Die eLearning Branche auf die Digitalisierung vorbereiten: Ist es nicht eher anders herum? Bringen nicht die eLearning Anbieter den Unternehmen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Industrie und Gewerbe bei, wie man mit der neuen digitalisierten Lage klarkommt?
Johannes Schneider: Gewiss, viele Angebote gehen in die Richtung. Aber unabhängig davon, wie "reif" Unternehmen sind oder sich fühlen, befinden sie sich schon seit geraumer Zeit auf einer Reise Richtung Industrie 4.0: "Lean Management", "agile Projekte" u.ä. gehören seit Jahren zum fixen Repertoire um "time to market" zu reduzieren, besser auf Kunden zu hören und flexibler auf den Mitbewerb zu reagieren.
Ich möchte die Perspektive einmal wechseln: Wie gut kommt eigentlich die eLearning Branche mit der Digitalisierung klar? Denn die spannendsten und erfolgreichsten Projekte, die ich in den letzten Jahren leiten durfte, haben den klassischen eLearning Prozess aus den Angeln gehoben.
Klingt revolutionär. Was ist los mit dem klassischen eLearning Prozess?
Johannes Schneider: Die Erfahrung aus vielen eLearning Projekten, aber auch das Studium der Fachlektüre zeigt, dass eLearning Projekte linear aufgezogen und auch so abgearbeitet werden. Ein starrer Prozess, den ich, muss ich an der Stelle zugeben, auch genauso unterrichtet habe: Traditionell nach der Wasserfall-Methode oder etwas moderner nach dem ADDIE-Prinzip: Analysis > Design > Development > Implementation > Evaluation. Der Haken daran ist:
- Der Prozess ist sehr starr. Treten in der Implementierung Fehler oder auch nur Änderungswünsche auf, dann heißt es recht schnell: "Das hätten Sie früher sagen müssen".
- Was passiert, wenn das digitale Lernprodukt fertig ist? Änderungen an Inhalt oder Design verlangen, dass der Prozess mehr oder weniger wieder von vorne gestartet wird.
- Obwohl für didaktische Zwecke erfunden, ist das ADDIE Modell didaktisch relativ unpraktisch, zumindest was die Relevanz der Lerninhalte betrifft. Diese steigt nämlich direkt proportional zur Aktualität. Und aktualisieren lässt sich in diesem Prozess nur mit großem Aufwand.
Es geht mir an der Stelle nicht um bestimmte Lernformate, sondern um die Erstellungs-Prozesse, nach denen Agenturen und In-House-Content-Ersteller - zu einem großen Teil noch immer - arbeiten.
So, wie die Softwareentwicklung heute kein klassisches Ende mehr kennt und Zyklen kürzer, Implementierungen für den User oft gar nicht merklich per automatischer App-Aktualisierung sofort nutzbar sind, so stelle ich mir auch die Lernmediengestaltung vor. Und so stellen wir auch unsere neuen Ansätze unseren Kunden vor.
Wie reagieren Ihre Kunden auf diese Vorstellung?
Johannes Schneider: Naturgemäß stellt unser Vorschlag einen oftmals bereits vordefinierten Weg in Frage. Diese Disruption wird nach kurzem Staunen jedoch erstaunlich oft willkommen geheißen. Denn viele Lernprojekte sind Teil größerer Projekte, die sehr wohl von Haus aus im Rahmen einer digitalen Transformation angelegt sind. Insofern ist "Disruption" momentan sogar "in". Ein Umstand, der uns da in die Hände spielt. Und es soll schon mehrmals vorgekommen sein, dass in der Angebotsphase der ursprüngliche Plan verworfen wurde und Kunden von einem agilen Lernprojekt überzeugt wurden – sowohl was die Technologie angeht, als auch die Arbeitsteilung und das Projektmanagement.
ELearning Ausschreibungsunterlagen sind oft sehr eng gefasst was die technische und methodische Umsetzung angeht, obwohl sie in einem sehr dynamischen Umfeld erstellt werden. Ein Paradox, das sich über kurz oder lang auflösen wird.
Wie sieht Ihre Alternative aus? Auf welche Methoden setzen Sie?
Johannes Schneider: Agilität ist natürlich auch in der eLearning Branche kein Fremdwort. Und die Mängel der traditionellen Methode, so lange diese sich auch hält, sind bekannt. "Agile Learning Design" nennt sich ein Ansatz, der hier zumindest teilweise Abhilfe schafft. Dabei geht es darum, die Mitwirkenden auf Kundenseite an einem Lernprojekt intensiver und laufender teilhaben zu lassen, mittels "Rapid Prototyping" früher "angreifbare" Resultate zu liefern, um auch noch in späteren Projektphasen auf Wünsche eingehen zu können.
"Agile Learning Design" nehmen wir insofern auf, als wir im Projekt Management in vielen Bereichen auf Scrum setzen. Wichtiger ist allerdings noch der Paradigmenwechsel hinsichtlich des Projektziels und die Vernetzung mit über HR hinausgehende Unternehmensebenen und Abteilungen.
Und ganz wichtig: Technologisch kann so eine Lösung keine Insel im Unternehmen mehr sein. Hier bieten moderne Systeme aus der eLearning Branche zwar deutlich mehr Kommunikationsbereitschaft mit anderen Systemen, als noch vor einiger Zeit, sie begreifen sich aber für meinen Geschmack noch ein wenig zu sehr als "L'obelico del mondo". Es ist die Frage, ob wir als Lernanbieter in der Organisation die anderen zu uns - in unser "System" - holen wollen, oder ob wir zu ihnen gehen...
Woher wissen Sie, dass die Kunden das wollen?
Johannes Schneider: Gute Frage. Viele Kunden erkennen einen gewissen Gap zwischen Anspruch und Wirklichkeit was digitales Lernen angeht: Lerninhalte hausen zwar in hochmodernen Learning Management Systemen, sind aber oftmals veraltet. Viel Aufwand wird getrieben für "Akzeptanzmanagement", also das Herstellen von Akzeptanz, da dies offensichtlich die Lerninhalte von alleine nicht zuwege bringen.
Ich will hier gar nicht auf alte Mobiltelefone mit "Clamshell"-Mechanismus in noch immer bereitgestellten eLearnings eingehen, habe es aber mit eigenen Augen gesehen. Veraltete Lerninhalte wirken demotivierend und werden als nicht relevant empfunden. Das gilt übrigens auch für das Screendesign. Dass User diese Mankos oft nicht artikulieren, soll nicht als Zustimmung gewertet werden.
Obwohl mit eLearning an sich die rasche Verbreitung und zentrale Wartung vom Grundgedanken her gegeben wäre, wird dieses Medium viel zu selten genutzt, um aktuelle Lern-Infos zu verbreiten. Wer kennt nicht den leicht frustrierten Marktmitarbeiter, der weniger von der aktuellen Aktion weiß als die Kundin, die vor ihm steht. "Wir erfahren es wiedermal als Letzte". – Und wo sieht er zuletzt nach, um was Neues zu lernen? Richtig. Im LMS, weil dort findet er es garantiert nicht.
Haben Sie Beispiele parat, wie's anders geht?
Johannes Schneider: Es gibt bereits fertige und laufende Projekte im Versicherungs- und Bankenbereich, sowie im Einzelhandel, die ursprünglich nach traditioneller Art geplant waren, und nun auf völlig neue Art umgesetzt wurden bzw. werden.
Für den Einzelhandel wurde eine smarte mobile Lösung umgesetzt, die mit dem klassischen eLearning nicht mehr viel zu tun hat, sondern viele Stakeholder, auch von außerhalb des Unternehmens, integriert.
So viel sei verraten: Es kam bei etlichen Lösungen gar kein eLearning Authoringtool zum Einsatz, Learning Management spielt eine dienendere Rolle, Inhalte können ohne SCORM betrachtet und in Minutenschnelle für die User aktualisiert werden. Die Betreiber haben vollständige Versionskontrolle darüber wer wann welche Inhalte geändert hat, und auch bei der Qualitätssicherung werden die User aktiv mit eingebunden. Tracking läuft über xAPI, oder so wie es außerhalb des eLearning Universums üblich ist.
Das heißt, Sie verzichten bewusst auf klassische Tools?
Johannes Schneider: Oftmals schon. Denn ganz generell wollen wir nicht die Welt mit den eLearning Standards zwangsbeglücken, sondern nehmen das, was es außerhalb dieser Nischen-Technologie – und das ist die eLearning Technologie im Vergleich mit der restlichen IT-Entwicklung – gibt. Und siehe da, da gibt es allerhand, was zum Lernen taugt.
Die Lösungen verstehen sich auch nicht als separates eLearning-"Tool" im Unternehmen, sondern sind Teil der Lösungen im Unternehmen, die im Sinne einer immer stärker geschlossenen Wertschöpfungskette optimiert und konsolidiert werden.
Und welche Lernformate sehen Sie im Kommen beziehungsweise im Gehen?
Johannes Schneider: Ich finde, der Erfolg einer Lernmaßnahme ist nicht dem Einsatz eines bestimmten Lernformats geschuldet, das gerade aktuell ist, sondern dem Einsatz des richtigen Lernformats.
Durch das eLearning Dorf werden jährlich neue Säue getrieben. Die wirbeln dann Staub auf, der sich aber meistens bald wieder legt. Und nach einiger Zeit wird dann sichtbar, was tatsächlich für welchen Zweck brauchbar ist.
Ich habe letztens bei einem Vortrag vor einer bayerischen Behörde meine Eindrücke von der OEB (Online Educa Berlin) 2007 und 2017 verglichen und konnte "ten Years after" erstaunliche Parallelen entdecken.
Microlearning, social Learning, mobile Learning, game-based Learning, Erklärfilme, Nuggets, lebenslang und informell, on demand und 70:20:10, etc. pipapo. Für Kunden mag das eine unübersichtliche Aufgabe sein: "Auf welches Pferd soll ich setzen?" Das würde ich ganz entspannt angehen. Mit jedem Format kann man tolle Lernerlebnisse bieten, wenn man es richtig auswählt und einsetzt.
Ich konnte in einem Projekt mitwirken, in dem wir kollaborative social Learning Welten geschaffen haben, in denen wir virtuell, real, Spiel und Ernst didaktisch lehrreich und lustvoll kombiniert haben – aber das hat nur exakt zum anvisierten Publikum gepasst. In einem anderen Projekt konnten alle bereits gesprochenen Texte und Screencasts in die Tonne, weil es für die super-intrinsisch motivierten User unpraktisch war, ständig vor- und zurückzuspulen. Eine smarte einfache Text- und Step-by-Step-Funktion löste im Vergleich Begeisterungsstürme aus... Meine Aufgabe als Instructional Design Experte ist es, genau das herauszufinden, unabhängig vom aktuellen Trend.
Wenn ich einen Trend festmachen soll, dann den zur Integration. So wie vorher schon erwähnt, sehen wir das Lernen eingebettet und integriert in die Wertschöpfungskette.
Und wenn dann die Lernformate und Lernmedien selbst auch wie selbstverständlich bedienbar und erlebbar sind, also eine ähnliche User Experience liefern, wie die saugeile Webseite desselben Unternehmens, dann braucht man die User nicht "abholen", weil man eh schon dort ist, wo sie sind. Dies bedingt freilich einen "Change" im Selbstverständnis von HR und eLearning Abteilung, aber wie heißt es so schön: "Life is a change request."
Wenn ich das so höre, heißt das, Sie würden den eLearning Erstellungsprozess heute auch anders unterrichten?
Johannes Schneider: Auf jeden Fall, man ist ja lernfähig!
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