Optimierung

"KI-Anwendungen kommen im Alltag an"

Dr. Cäcilie KowaldKarlsruhe, April 2019 - "Man kann durchaus von einer neuen Zeitrechnung sprechen," erklärt Dr. Cäcilie Kowald, Spezialistin für Künstliche Intelligenz (KI) bei der time4you GmbH. Dabei kann KI helfen, die Weiterbildung besser, effizienter und auch individueller zu organisieren, denn die Leistungsfähigkeit der zur Verfügung stehenden Geräte ermöglichen KI im Alltag ebenso wie die Datenmengen, die damit verarbeitet werden können.

Ist in puncto KI im Training und der Weiterbildung eine neue Zeitrechnung angebrochen?

Dr. Cäcilie Kowald: Letztlich sind die Methoden und Strategien, die heute unter dem Begriff "KI" zusammengefasst werden, nicht neu. An vielen Konzepten wird bereits seit Jahrzehnten gearbeitet, und Software-Anwendungen nutzen schon lange grundlegende Technologien wie Neuronale Netze oder Regelsysteme. Dennoch würde ich sagen, dass man durchaus von einer neuen Zeitrechnung sprechen kann. Denn bisher war KI etwas, das sich in Anwendungen für Experten verbarg; jetzt kommt sie im Alltag an.
Das liegt zum einen daran, dass unsere technischen Geräte so leistungsfähig geworden sind – ein einfaches Smartphone ist heute leistungsfähiger als ein durchschnittlicher PC im Jahr 2000  -, aber auch an den Datenmengen, die den großen Internetkonzernen heute zur Verfügung stehen und die in die Entwicklung mit einfließen.

Welche Chancen bietet KI für den Weiterbildungsbereich?

Dr. Cäcilie Kowald: Zum einen kann KI helfen, die Weiterbildung besser, effizienter, aber auch individueller zu organisieren. Schon jetzt unterstützen KI-Anwendungen beispielsweise die Trainingsplanung, indem sie Raumbelegungen oder Trainerfahrtzeiten optimieren. Auskünfte zu Trainings oder auch Buchungen können von digitalen Assistenten automatisiert werden und stehen dann als Service rund um die Uhr zur Verfügung.

Zum anderen bietet KI neue Anwendungsmöglichkeiten für das Lernen selbst.
Die verbesserten Analysefähigkeiten von KI-Systemen lassen sich beispielsweise nutzen, um individuelle Lernempfehlungen auszusprechen oder automatisch aus verschiedenen Quellen Themenkanäle mit Lerninhalten zu generieren. Und mit den neuen Conversational Interfaces, also Chatbots, eröffnet sich eine ganz neue Lernform: Lernen im Dialog, Conversational Learning.

Was ist das Besondere am Conversational Learning? Und was ist neu daran?

Dr. Cäcilie Kowald: Eine der grundlegendsten Formen menschlichen Lernens ist das Lernen im Gespräch mit einem anderen Menschen. Dieser Urform können wir mit einem Chatbot so nahe kommen wie mit keiner anderen Lernanwendung. Wenn ich nämlich mit einem Chatbot interagiere, um etwas zu erfahren, um mich weiterzubilden, bin ich augenblicklich in einem dialogischen Lernprozess.
Der Weiterbildungsorganisation öffnen sich damit ganz neue, vielfältige Optionen, individuell den Lernprozess zu unterstützen und die Grenzen des Klassenraum-gestützten Lernens weiter aufzubrechen. Dazu gehören naheliegende Trainingsanwendungen wie der digitale Vokabeltrainer, das sprechende "Lexikon", das tutorielle System, das über die neuen Produkte Bescheid weiß, aber auch so etwas wie dialogische Interactive Fiction, die den Anwender spielerisch mitnimmt in eine eigene Lernwelt.
Ein tutorieller Chatbot kann überdies flexibel auf mich, die Nutzerin, meine Fragen und Lernbedürfnisse eingehen und damit genau das benötigte Wissen liefern – zu dem Zeitpunkt, an dem es gebraucht wird, und ohne große Zugangshürden. Indem der Chatbot Rückfragen stellt, Emotionen zeigt und weckt, oder auch mal abschweift, intensiviert er die Beschäftigung mit dem Gelernten. In Zeiten, in denen informelles Lernen und Micro-Learning immer wichtiger werden, sind also Chatbots überaus attraktive Lernbegleiter.

Kann jeder eLearning Experte eigene Tutoren und Bots entwickeln oder muss man sich hier spezialisieren?

Dr. Cäcilie Kowald: Ja und nein. Eine Spezialisierung, oder zumindest eine eingehende Beschäftigung mit der Funktionsweise von Chatbots, ist auf jeden Fall sinnvoll. Denn Akzeptanz und echte Lernerfolge mittels Conversational Learning setzen voraus, dass die digitalen Helfer adäquate Gesprächspartner sind. Dazu muss das Konzept stimmen – z.B. ist Klarheit über den Anwendungsfall, den Lernkontext die Zielsetzung und die Zielgruppe eine wesentliche Voraussetzung.
Auch die Persönlichkeit des Bots muss überzeugen, ebenso wie der Dialog selbst. Es ist eine echte Kunst, überzeugende Charaktere und Dialoge zu entwickeln mit sachlich korrekten Inhalten und einer Gesprächsführung, die den menschlichen Dialogpartner gekonnt involviert. Für die Konzeption eines Lernbots braucht man also durchaus spezifisches Know-How. Aber es ist lernbar, und ein IT-Hintergrund keineswegs notwendig – grundlegende Technikkenntnisse reichen völlig aus. Gefragt sind letztlich vor allem mediendidaktische und kommunikative Kompetenzen.
Unsere These ist: Ebenso wie eLearning eröffnet auch Conversational Learning ganz neue Tätigkeitsfelder für Weiterbildungsprofis. Vielleicht wird sich in Ergänzung zum eLearning-Autor sogar als neues Berufsbild der "Conversational Learning Designer" herausbilden, dessen spezifische Kompetenz es ist, mit Hilfe von Bot-Tools dialogische Lern- und Beratungssequenzen zu entwickeln.

Wenn ich mich zu Conversational Learning weiterbilden bzw. spezialisieren möchte, welche Möglichkeiten habe ich?

Dr. Cäcilie Kowald: Genauso wie Chatbots nehmen auch Seminarangebote zum Thema zu. Allerdings kommen sie in der Regel aus dem Marketing-Umfeld und haben sehr aufgaben- oder verkaufsorientierte Bots im Fokus. Für pädagogische Anwendungen und Conversational Learning greifen diese Ansätze meist zu kurz.

Wir versuchen, diese Lücke mit unserem Weiterbildungsangebot zu schließen.
In unseren Webinaren und Videos geben wir denjenigen, die anfangen, sich mit dem Thema zu beschäftigen, eine erste Orientierung und einen Überblick, wohin die Reise gehen kann. In unseren Workshops verfolgen wir dann einen echten Hand-on-Ansatz: Die TeilnehmerInnen bekommen darin die Gelegenheit, unter fachlicher Anleitung ihren eigenen Lernbot zu konzipieren und erste, beispielhafte Dialogsequenzen umzusetzen. Wir setzen dafür Jix ein, unsere eigene KI-Software für Conversational Learning.

Was genau ist und kann Jix?

Dr. Cäcilie Kowald: Kurz gesagt: Mit Jix können Sie eigene Chatbots erstellen und betreiben. Im Fokus der Entwicklung standen dabei inhaltsorientierte Bots mit eher längeren Gesprächssequenzen und abwechslungsreichen Ausgaben, wie sie für Conversational Learning-Anwendungen notwendig sind. Jix-Bots sind browserbasiert, die Interaktion erfolgt also über Webchat; optional können Sie auch Alexa integrieren und ihre Spracherkennungsfähigkeiten nutzen.
Jix bietet vielfältige Ausgabeoptionen, z.B. die Einbindung von Medien, aber auch Buttons, Links und verschiedene Textformate. Dies eröffnet vielfältige Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten, die sich in Lernanwendungen didaktisch nutzen lassen. Ein wichtiger Bestandteil von Jix ist Liza Skript, eine Art Skriptsprache, die sehr einfach zu erlernen ist und mit der sich auch komplexe Gesprächsverläufe verwirklichen lassen – etwas, an dem grafische Bot-Design-Tools übrigens schnell scheitern.
Mit Liza Skript kann ein Chatbot-Designer, dessen Schwerpunkt eigentlich die Konzeption und sprachliche Gestaltung des Bots und seiner Dialoge ist, nach nur kurzer Einarbeitungszeit die Bots selbst umsetzen und – was fast noch wichtiger ist – im laufenden Betrieb immer weiter ausbauen und verbessern.

Wieviel Forschungsleistung steckt in der Neuentwicklung Jix und wie wird diese von den Firmen und Organisationen angenommen?

Dr. Cäcilie Kowald: Die erste Version von Jix entstand bereits vor über zehn Jahren. Damals aber stieß sie auf kein großes Interesse – das Bewusstsein, was Chatbots sind und können war einfach noch nicht da, und damit kein Markt für Jix. Das hat sich in den letzten Jahren rasant geändert.
Nachdem die erste Welle von Chatbots vor zwei, drei Jahren erst einmal für einen schlechten Ruf von Chatbots sorgten, weil viele konzeptionell nicht gut durchdacht waren und  nicht hielten, was sie versprachen, sind die neueren Anwendungen schon deutlich besser. Und an vielen Stellen im Kundenservice und Marketing sind Chatbots auf dem besten Weg, selbstverständlich zu werden. Insofern ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie auch den Weiterbildungsbereich erobern.