Fehlerkultur: Der Schlüssel zu Chancengerechtigkeit und Digitalität?
Berlin, Oktober 2023 – Mit einem Besucherrekord ist der 7. #excitingedu Kongress in Berlin zu Ende gegangen. An zwei Tagen tauschten sich 700 Lehrkräfte, Schulleitungen, Schulträger und Bildungsexpert:innen über zukunftsfähige Modelle für Schule in einer Kultur der Digitalität aus. Fragen zur Bildungsgerechtigkeit und kreative Wege, um starre Schulsysteme zu durchbrechen, standen im Mittelpunkt der Eröffnungsrede der KMK-Präsidentin Katharina Günther-Wünsch und der anschließenden Podiumsdiskussion.
"Es geht bei dieser Veranstaltung darum, mal alle Probleme, die bekannt sind, und alle Widerstände beseite zu lassen. Die Idee ist, dass sich Lehrkräfte gegenseitig erzählen, was möglich ist und wie es geht – und nicht, was gerade nicht möglich ist", erklärte Dr. David Klett, Vorstand der Klett Gruppe, in seiner Begrüßung das Konzept des Bildungskongresses.
Um den Austauschgedanken zu befördern und auf den Hauptkongress einzustimmen, wurde in diesem Jahr in der CODE University of Applied Sciences Berlin ein Barcamp veranstaltet. Hier nutzten zahlreiche der zum Kongress angemeldeten Lehrkräfte die Möglichkeit, eigene Themen und Ideen zur Zusammenarbeit einzubringen und diese mit Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren.
Was hat der DigitalPakt Schule mit Bildungsgerechtigkeit zu tun?
Beflügelt durch die im Barcamp gesammelten Ideen wechselten die aus der ganzen Republik angereisten Lehrerinnen und Lehrer am Abend des ersten Kongresstags die Location: Im Kuppelsaal des Zeiss-Großplanetariums am Prenzlauer Berg versammelte man sich zur offiziellen Kongresseröffnung durch Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch, seit Mai Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK). Günther-Wünsch, die auch die Schirrmehrrschaft für den #excitingedu Kongress übernommen hatte, stimmte die teilnehmenden Lehrkräfte direkt auf das Thema der anschließenden Podiumsdiskussion ein, indem sie die Frage aufwarf, wo Bildungsgerechtigkeit beginnt.
"Wir müssen im frühkindlichen Bereich, also schon in der Kita anfangen", so die KMK-Präsidentin, und verwies dabei auf entsprechende Erkenntnisse aus der Wissenschaft. "Wir wollen die Kids da abholen, wo die Schere anfängt sich aufzutun", erklärte Günther-Wünsch die Initiativen des Berliner Senats für Bildung, Jugend und Familie in diesem Bereich. Das Berliner Modell "Kita-Chancenjahr" sieht vor, dass ab Herbst 2024 Kinder, die nicht zur Kita gehen, zu Sprachstandstests verpflichtet werden.
Auch auf den Status Quo beim DigitalPakt Schule ging Katharina Günther-Wünsch in ihrer Kongresseröffnung ein. Aber das habe noch nichts mit Digitalität oder Bildungsgerechtigkeit zu tun, so die Auffassung der KMK-Vorsitzenden. Sie verwies in diesem Zusammenhang auch auf die "ziemlich anstrengenden" Verhandlungen mit dem Bund über einen DigitalPakt 2.0, der aus ihrer Sicht zwingend notwendig sei, um – auch mit Expertise von außen – dafür zu sorgen, dass Pädagoginnen und Pädagogen mit Digitalkompetenzen ausgestattet würden.
Das bringe notwendigerweise auch einen Kulturwandel an Schulen mit sich, so Günther-Wünsch, denn: "Wenn wir von Digitalität und Bildungsgerechtigkeit sprechen wollen, dann kann es die Schule, so wie wir sie bisher kennen, mit all ihren starren Formen so nicht mehr geben."
Mutig sein und eine Fehlerkultur etablieren
Daran knüpfte auch der Lehrer und "Bildungsinfluencer" Bob Blume in seiner Keynote an. Unter dem Titel "Lernen! Vom Stillstand zur Bewegung" regte er seine Kolleginnen und Kollegen im Publikum dazu an, ausgetretene Pfade zu verlassen und neue Wege zu gehen. Gelegenheit, darüber zu diskutieren, wo Schulen sich öffnen und Lehrkräfte "out of the box" denken könnten, bot die anschließende Podiumsrunde.
Neben der amtierenden KMK-Präsidentin nahmen daran Cordula Heckmann, langjährige Schulleiterin des Berliner Campus Rütli, die Gymnasiastin Elisabeth Müller-Härlin, Bob Blume und Jürgen Böhm, Staatssekretär im Bildungsministerium von Sachsen-Anhalt, teil. Moderiert wurde die Diskussion von Murat Alpoguz, Lehrer an der Erich Kästner Schule (IGS) in Darmstadt, der aktuell als Mitglied des Praxisbeirats "Digitale Schule Hessen" das dortige Kultusministerium in Fragen der digitalen Bildung berät.
Einig war sich die Runde darüber, dass es von den Schulen und den beteiligten Akteuren vor allem Mut brauche, um starre Strukturen zu verändern oder Grauzonen im bestehenden System zu nutzen. Ob es darum gehe, Prüfungsformate abzuschaffen, Bildungspläne zu "entrümpeln" oder Lehrräume zu öffnen – ein entsprechendes Mindset im Sinne einer Fehlerkultur sei notwendig, wenn man Dinge verändern wolle. Die Aussage Bob Blumes, dass dies auch bedeute, "dass wir das Lehramtsstudium in seiner Form überdenken müssen", traf auf große Zustimmung beim Publikum.
Bildungsgerechtigkeit im Kontext von KI
Mit dem Diskussionsthema Fehlerkultur wurde zugleich ein Brückenschlag zur Eröffnungs-Keynote des zweiten Kongresstags geschaffen. Denn Katharina Zweig, Professorin für Informatik an der TU Kaiserslautern, befasste sich darin mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Schulunterricht. Auch sie ging dabei auf Fragen der Bildungsgerechtigkeit ein. Die Politik müsse nicht nur Lehrkräftefortbildungen ermöglichen, in welchen KI erklärt werde, sondern auch eine "Bildungsoffensive KI" auf den Weg bringen, um für alle gesellschaftlichen Schichten Zugänge zur sinnvollen Nutzung von Systemen wie ChatGPT und Co. zu schaffen. Es müsse Sorge dafür getragen werden, so Zweig, "dass die Schere durch KI nicht weiter aufgeht".
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