Wirtschaftsuniversität Wien

Soziale Medien: Globale Diskussionsforen oder Inhalt mit Weichspüler?

Susanne KopfWien, September 2020 - Im digitalen Zeitalter scheint der globale Austausch im Diskussionsforum Internet grenzenlos. Soziale Medien, Online-Enzyklopädien wie Wikipedia, Blogs und Foren – sie alle bieten Informationen und Kommunikationsmöglichkeiten. Dennoch eignen sich nicht alle Plattformen gleichermaßen für einen kritischen Diskurs. Gerade profitorientierte Online-Medien wie YouTube nehmen durch ihre Policies, Algorithmen und Co. starken Einfluss darauf welche Informationen verfügbar sind. Dabei spielt der Inhalt der Beiträge eine wesentliche Rolle - das zeigen aktuelle Untersuchungen der Forscherin Susanne Kopf, Wirtschaftsuniversität Wien.

Globale Herausforderungen brauchen globale Antworten – und dafür auch den globalen Diskurs. Trotz zahlreicher Informations- und Austauschmöglichkeiten im Internet, sind Qualität und Zugänglichkeit unterschiedlich. Wie unterschiedlich, dieser Frage widmet sich WU Wissenschaftlerin Susanne Kopf vom Institut für Englische Wirtschaftskommunikation in ihrer Forschung. Ihre aktuellen Studien zeigen: Im Gegensatz zu nichtkommerziellen Plattformen wie Wikipedia, eignen sich kommerziell ausgerichtete soziale Medien wie YouTube weniger zur kritischen Diskussion.
Die Wissenschaftlerin erklärt: "Obwohl beispielsweise Wikipedia nicht dezidiert als Diskussionsplattform ausgewiesen ist, erfordert alleine das Editieren und Redigieren von Artikeln einen konsensorientierten Austausch. YouTube hingegen unterzieht gerade jene Inhalte, die von ihren KooperationspartnerInnen wie Influencern und Co. kommen, durch ihre „Guidelines“ einer Zensur."

Inhalte mit Weichspüler

YouTube Creators mit hoher Abonnentenzahl können direkt mit YouTube kooperieren und an Werbeeinnahmen anteilsmäßig mitverdienen – vorausgesetzt sie halten sich an YouTubes Richtlinien, sogenannte "content guidelines". Diese zielen unter anderem darauf ab, dass die Beiträge der YouTuber werbefreundlich – also inhaltlich positiv bzw. ideologisch zumindest kompatibel mit der beworbenen Marke sind. Kritische Themen und Haltungen sind dabei weniger erwünscht.
"Werbung, die in kontroversem oder thematisch negativ besetztem Umfeld ausgespielt wird, kann das Image einer Marke negativ beeinflussen. Das wissen auch die werbenden Unternehmen wie beispielsweise der Werbeboykott im Jahr 2017 zeigte, als zahlreiche Unternehmen ihre Werbeverträge mit YouTube kündigten oder zu kündigen drohten, weil deren Werbung in einem Werbeumfeld zusammen mit ideologisch nicht-kompatiblen Inhalten ausgespielt wurde.
Die sprachliche Gestaltung der YouTube content guidelines legt nahe, dass das Unternehmen dies vermeiden möchte, indem es versucht gerade die Werbeeinnahmen erzielenden Inhalte möglichst 'weichzuspülen'. Dies wiederum verzerrt den kritischen Diskurs via YouTube", so Kopf. Über besonders kontroverse und sensible Themen wie zum Beispiel die SARS-CoV-2-Pandemie kann die Videoplattform so kaum ein umfassendes Bild zeichnen – aus Sicht der Studienautorin problematisch, schließlich zählt YouTube zu den beliebtesten Plattformen weltweit. Mehr als 4 Milliarden Videos werden täglich dort abgerufen.

Zusatzfaktor Unsicherheit

YouTube arbeitet in seinen guidelines intensiv mit Beispiellisten für werbefreundliche und -feindliche Inhalte, trotzdem bleiben viele Fragen offen und Beispiele unklar. Die daraus entstehende Unsicherheit wird direkt an die YouTube Creators weitergeben. "Abgesehen von der Tatsache, dass die 'advertiser-friendly content guidelines' ohnehin eine Einschränkung darin darstellen, was gepostet werden darf, kann gerade diese Unsicherheit in der diskursiven Präsentation der Guidelines dazu führen, dass Influencer ganz 'sichere' weichgespülte Inhalte produzieren, um auch definitiv Werbeeinnahmen damit verdienen zu können", erklärt die Studienautorin. "Gerade zur Diskussion großer, globaler Themen ist es wichtig, sich über die Grenzen hinweg austauschen und informieren zu können. Viele profitorientierte Plattformen eignen sich dafür wenig. Umso wichtiger ist es, Kommunikationsplattformen individuell zu betrachten und so zu bewerten, ob sie sich für kritische Diskussion und umfassenden Informationsaustausch eignen."

https://youtu.be/mSZxMPcQoXA
Quellennachweis