Arbeit 4.0 braucht "Bildung nach Maßanfertigung"
Stuttgart, März 2020 - Wie verändern Digitalisierung und künstliche Intelligenz die Arbeitswelt und die Methoden, sich fortzubilden? Was hat es mit dem Projekt "NAWID" auf sich?Diese und andere Fragen beantwortet Jan Balcke, Leiter Human Relations 4.0 bei Airbus, im Interview im Vorfeld der didacta 2020.
Herr Balcke, was ist die größte Herausforderung für die Aus- und Weiterbildung durch die Digitalisierung der Arbeitswelt?
Jan Balcke: Das ist die Frage der Beteiligung. Von außen aufgedrängte Veränderungen führen bei Menschen häufig zu Frust, Unsicherheit und Ablehnung. Sie können mit Veränderung besser umgehen, wenn sie selbst Teil des Veränderungsprozesses sind und diesen mitgestalten können. Hier werden digitale Lernlösungen neue didaktisch-methodische Möglichkeiten und Formen der Teilhabe am digitalen Wandel eröffnen. Dabei sollten jedoch nicht nur reine Wissenskompetenzen gestärkt werden, also die Frage, wie ich Wissen reproduziere. Die Prozesskompetenzen müssen in den Fokus rücken, die es beispielsweise erlauben, Arbeitsprozesse nachzuvollziehen – sei es digital oder analog. Hier gibt es großes Verbesserungspotenzial.
Wie wird sich die Arbeitswelt für die kommende Generation verändern?
Jan Balcke: Die Arbeitsbedingungen sollten für alle Beschäftigten neu definiert werden: Weg von der Präsenz- hin zur Ergebniskultur, starre Regelungen zugunsten von flexiblen Strukturen reduzieren, projektbezogenes Arbeiten fördern. Dabei geht es nicht darum, Arbeitnehmerrechte auszuhöhlen, sondern darum, neue Formen der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung zu finden. Hier ist die Politik gefordert, die bisher nur an der Außenlinie steht und zu wenig mitgestaltet. Nur auf tarifliche oder betriebliche Regelungen zu verweisen, ist zu wenig. Zahlreiche Gesetzesanpassungen sind nötig.
Airbus ist Partner beim Projekt "NAWID". Was ist das Ziel?
Jan Balcke: Im Rahmen von "NAWID" (NAWID steht für Nutzung KI-basierter Assistenz- und Wissensdienste in unternehmensspezifischen Bildungsräumen unter Berücksichtigung heterogener Wertewelten im Demographischen Wandel) erproben wir in unserer sogenannten "Learning & Exploration Factory" am Standort Hamburg KI-basierte Assistenz- und Wissensdienste.
Ein Beispiel: Für jeden Mitarbeiter gibt es ein Bündel relevanter Informationen: Über welches Wissen verfüge ich? Reflektiere ich eher auditiv oder visuell? Dieser Datensatz wird in eine KI eingespeist und steht dann kontextbezogen während der Arbeit am Flugzeug zur Verfügung, beispielsweise durch den Einsatz von Augmented Reality-Brillen. Sie zeigen genau dann die relevanten Informationen an, wenn sie benötigt werden.
Hier würde ich von einem Paradigmenwechsel sprechen: Das ist Bildung nach Maßanfertigung – auf den einzelnen Mitarbeiter zugeschnitten. Wir versprechen uns so nicht nur die Anlern- und Ausbildungszeiten deutlich zu verkürzen, sondern auch Flüchtigkeitsfehler zu vermeiden.
Welchen Einfluss werden Assistenz- und Wissensdienste sowie künstliche Intelligenz auf die Arbeitsplätze der Zukunft haben?
Jan Balcke: Durch den Einsatz von KI werden wir in der Lage sein, Know-how bei den Mitarbeitern aufzubauen, industrielle Prozesse effizienter zu steuern und Fehler zu vermeiden. Es geht auch in Zukunft um Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität und die Sicherung von Arbeitsplätzen in Deutschland.
Vom 24. bis 28. März 2020 führt die didacta als weltweit größte und Deutschlands wichtigste Bildungsmesse wieder Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Ausbilderinnen und Ausbilder sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Stuttgart zusammen.
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