Urheberrechte: Erfahrungswerte statt Paragraphen
Frankfurt/München, Oktober 2007 - Mit der Digitalisierung von klassischen Buchinhalten ist neue Bewegung ins Urheber- und Vertragsrecht gekommen. Wie regelt man die Autorenrechte bei ebooks, wie rechnet man Honorare mit Downloadportalen ab? Vor besondere Herausforderungen sind die Vertragspartner bei internationalen Verhandlungen gestellt, wie Franziska Hildebrandt, Leiterin Rechte und Lizenzen beim Frankfurter Campus Verlag, berichtet.
Neuerscheinungen, die im Herbstprogramm bei Campus veröffentlicht werden, enthalten im Autorenvertrag eine Standardregelung für die elektronische Verwertung. Der Autor gestattet dem Verlag, den Inhalt seines Werkes als ebook in ungekürzter Fassung in Datenbanken abzuspeichern, bei Dienstleistern, wie z.B. Downloadportalen, zu vertreiben sowie dem Käufer, sein ebook auf seinem PC zu speichern.
Portale wie www.ciando.de, mit denen Campus beim Vertrieb seiner ebooks zusammenarbeitet, verpflichten sich ihrerseits, die Urheberrechte des Autors zu schützen. Die derzeit gebräuchlichste Variante ist das vom Fraunhofer Institut entwickelte elektronische Wasserzeichen. Auf dem Campus-eigenen Portal www.campus-digibook.de kann der Verlag selbst regeln, ob das als pdf bereitgestellte ebook nur Lese- oder auch Druckrechte gestattet, die zusätzlich vergütet werden müssen.
Seit 2000 sind elektronische Rechte ein Thema für den Verlag. Um sich auf sicherem Terrain zu bewegen, konsultiert man auch die Rechtsabteilung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, des Verbandes für Verlage und Buchhandlungen, oder greift auf Wissen aus dem "Arbeitskreis Elektronisches Publizieren" (AKEP) zurück. Doch gibt es bei den elektronischen Rechten noch viele Graubereiche, die Spielraum für Interpretationen zulassen.
Grundsätzlich legt der Verlag elektronische Rechte als Hauptrechte aus, da man im ebook mehr einen Vertriebsweg als ein Lizenzgeschäft sieht. Mit Nebenrechten werden Hörbuch-, Taschenbuch- und Buchclublizenzen geregelt. Der Autor stimmt der generellen elektronischen Verwertung zu. "Dies ist eine pragmatische Lösung. Schließlich ist es auch im Sinne des Autors, wenn wir sein Werk so weit wie möglich vermarkten", so Hildebrandt.
Doch rund alle drei Monate ergeben sich durch neue technische Möglichkeiten neue Verhandlungssituationen. Als der Vertrieb auf PDAs und Handys ausgedehnt wurde, musste die Formulierung in den Verträgen erweitert werden. "Der Verlagsvertrag wächst mit", beschreibt sie die Situation. Ihre Verträge spiegeln den Erfahrungsschatz der letzten Jahre wieder. Auch der Austausch mit Lizenzkollegen anderer Verlage hilft bei Detailfragen weiter.
"Deutschsprachige Autoren sind aufgeschlossen, und wir können gut und direkt mit ihnen verhandeln." Auch ältere Verträge konnten mit einer Nachfassaktion per Rundschreiben unkompliziert ergänzt werden. Mit ausländischen Lizenzen, z.B. aus den USA, ist es hingegen ungleich problematischer, über elektronische Rechte Einigkeit zu erzielen.
Dies liegt nicht nur an den länderspezifischen Urheberrechten und an sprachlichen Hürden, sondern auch am Verhandlungsweg. Vom Autor über dessen Agenten, den amerikanischen Verlag, eine europäische Subagentur bis zum deutschen Verlag sind es fünf Stationen, die unterschiedliche Positionen vertreten können.
Zu ihrem Bedauern lehnen die amerikanischen Vertragspartner deshalb die elektronischen Rechte häufig ab: "Wer keine Rechte vergibt, kann auch keine Erfahrungen sammeln." Zu den sprachlichen Herausforderungen zählt, dass Vertragswerke etwas unterschiedlich formulieren, obwohl der gleiche Sachverhalt gemeint ist. Bei der Abrechnung der Honorare spielt es schließlich eine Rolle, ob "Netto-Umsatz", "Netto-Einnahme", "Netto-Erträge" oder "Netto-Erlöse" und ihre englischen Entsprechungen bedeutungsgleich sind.
Der Campus Verlag bietet seine ebooks 15 bis 20 Prozent günstiger als seine gedruckten Bücher an. Da ebooks auch in Teilen erworben werden können, musste man sich vom Print-Ansatz trennen, das Autorenhonorar nach Exemplar, Buchpreis und Prozenten abzurechnen. Bei digitalen Büchern gilt nun der Nettoumsatz, der nicht nur komplett verkaufte ebooks zählt, sondern kapitel- und seitengenau ermittelt wird.
Noch sieht die Campus-Strategie nicht vor, reine ebooks ohne gedruckte Version zu veröffentlichen. "Aber der Markt ist jung und kreativ, ich bin gespannt, was ich in fünf Jahren lizensieren werde", umreißt Hildebrandt die Lage. Bis 2014 soll das Geschäft mit den digitalen Rechten auf zehn Prozent des Gesamtumsatzes anwachsen.